Daal "Dodecahedron" (Eigenproduktion 2012)

Oh Du, Deutsche Post
die Du fährst mit schwerem Gerät
zu transportieren, wofür Deine Kunden mit Briefmarken und Vertrauen bezahlen
Du hast einen Postpanzer über ein Päckchen aus Italien rollen lassen
und den Inhalt zermalmt
Plastik- und Pappkrümel steckten in Deiner Warenversehrtentüte
dass kaum zu erkennen, woher die Lieferung stammte
doch ach!
Was war in dem von Dir so ausführlich wie liebevoll zermahlenen Müll?!?
Eine CD!
Seltsam verbogen, von außen an zwei Stellen eingerissen, an der einen gleich um über zwei Zentimeter tief!
Oh Du, Deutsche Post
die Du arbeitest hart Tag um Tag
Du hast keine gute Arbeit geleistet.
Denn die CD, die funktioniert noch immer. Nach zwei Tagen vierbändiger Brockhauslast war der Zustand der CD leidlich begradigt, die Risse recht plan
Der Player zitterte ob Angst vor der Ladung, die ihm da angetan wurde
doch was war das?!?
Trotz Beulen, Rissen und Überfahrenwerden von schwerem Gerät
spielte der erst erschreckt tuckernde CD-Player die ganze ausführliche Show ab!
Deutsche, oh Du, Post
Grazie!
Grazie!
Grazie!

Das vierte Album der elektro-symphonischen Psychedelic-Italiener Daal beschäftigt sich in zwölf Tracks mit Geisterkurzgeschichten - und so klingt es auch. Die Stimmung in den Songs und dazwischen hat mystischen Hauch. Ganz modern gewiss ist, was Alfio Costa (keys) und Davide Guidoni (perc) samt diverser Gastmusiker leisten, und doch erinnern die schaurig düsteren Songs immer wieder an ihre (alten) Kollegen Goblin, wenn die weniger Jazzrock und mehr Filmmusik gaben (- bevor sie Pop und Disko fabrizierten). Zudem ist wiederum eine gehörige Portion Pink Floyd in den lässig schlendernden Kompositionen zu hören. Daal lassen ihre Ideen fließen, und die streichen nachdenklich dahin, auf bebend epischem Rhythmusteppich, mit ausgedehnten Gitarrensoli auf raffinierten Harmonien in der Keyboardarbeit und im Samples-Rausch. Die einzelnen Songs haben drei bis 8 Minuten Zeit, sich elegant und genüsslich zu entfalten, wenige Songs nur rocken satt und kräftig, dann aber erlesen, wie etwa Part III (die einzelnen Songs haben keine Eigennamen, sind mit römischen Ziffern aufgelistet), in dem schwerer Rock an frühe, symphonische King Crimson erinnert, bis Piano und Cello zum untoten Tanz der Vampire ansetzen, was die gruselige Stimmung zur Parodie mutieren lässt, aber es wird wieder, ja, ernster. Das Duo und seine Gäste klingen nicht im Ansatz verkrampft, die Songs wippen in ihrem gut gelagerten Rhythmussaft, schwere Donner grollen, laszive Dämmerung zieht ins fürchterliche Land. Manches Thema liegt auf verrocktem Jazzrhythmus, von folkiger Düsternis melodisch angezogen. Sanftmütig und lieblich sind die Motive, indes längst nicht blöd oder kitschig, sondern bannend und mitreißend. Hier ist beides drin: weniger ist mehr, mehr ist mehr. Erstens: die erhabene Lässigkeit und selbstbewusste Kühlung des starken Bandmotors lassen sich nicht durch sanfte Lyrik erschüttern, und geben jedem noch so lichten Motiv seinen Schatten. Besonders erlesen ist die Arbeit der Cellistin Sylvia Trabucco (Höstsonaten), die an der Violine gleichfalls hinreißendes Spiel leistet. Die weiteren Gäste, um es nur anzusprechen, stehen technisch und emotional nicht nach und bearbeiten Gitarre (Ettore Salati, Soul Engine, The Watch), Gebläse (Alessandro Papotto, B.M.S.), Harfe und Flöte (Vincenzo Zitello) und Bass (Bobo Aiolfi, Tilion, Prowlers) mit besten Ergebnissen.
"Dodecahedron" ist erstaunlich gut komponiert, im Angesicht der Tatsache, dass das Duo+ das vierte Album in vier Jahren produzierte und die Materialsammlung nicht zu Mittelmaß schleicht. Hoffentlich bleibt das so. Ganz persönlich empfinde ich dieses neue Album als das beste des Duos, der sanfte Fluss der Stücke und des ganzen Albums ist grandios und mitreißend. Gewiss ist da mal eine einlullende Phase enthalten, die alle Aufmerksamkeit dicht macht und ins Nirvana entführt, aber das sind nicht die schlechtesten Parts ever.
Wer die neue Produktion Daals aufmerksam verfolgt, wird feststellen, dass "Dodecahedron" zum einen als reguläre Produktion veröffentlicht wird, zudem in einer limitierten Edition als Boxset, das eine zweite CD beinhaltet: "The Call of the Witches" und einem Poster. Sauerei nur, dass die Post die zweite CD vollständig zerstörte oder ich einfach nicht das Glück habe, die limitierte Boxset Edition zugesandt bekommen zu haben.
Schönes Werk, kann ich gut empfehlen. Am besten unzerstört.

daal.it
VM



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