Counter-World Experience "Music for Kings" (Eigenproduktion, 16.04.2012)

Kurzweiligkeit hat einen neuen Namen - "Music for Kings". Besonders beeindruckend sind die technischen Schredderstücke, die in erstklassigem, rassigen Arrangement mit Vollgas voranstürmen, ohne stressig zu wirken. "Music for Kings", das fünfte Album der Prog-Jazz-Metaller Counter-World Experience zeigt die Band weiter entwickelt, fest im Sattel, selbstbewusst und ausdrucksstark. Wie kaum im Progressive Metal sonst zu erwarten, entwickeln CWE Vielfalt und stilistische Verankerung in Genres, die sich sonst fremd sind oder kaum Berührung finden. Gut, Jazz und Metal sind sich längst nicht mehr feind, die Brüder Jarzombek übten sich nach Watchtower mit Spastic Ink mit technisch extrem radikaler und äußerst begabter Handschrift in Verbindung beider Pole, die Kanadier Spaced Out, Planet X und viele weitere Bands zogen auf hohem Niveau mit guten Kompositionen nach. Counter-World Experience gibt es bereits seit 2001, sie gehören mittlerweile zu den alten Hasen, haben klassische Musikstudien abgeschlossen, sind in Metal, Progressive Rock und Jazz geübt und gebildet, beweisen stetig neu Inspiration und eigene Handschrift. Benjamin Schwenen (g, synth-g, prog) übt eine selbst entwickelte Technik an der Gitarre, alle drei, Sebastian Hoffmann (b) und Thorsten Harnitz (dr) machen das Trio rund, sind technisch versierte und handwerklich geschulte Musiker, die zudem über Jahre hinweg ultrakomplexe Musik auf hohem Niveau spielen, nicht nur stetig in Übung bleiben, sondern währenddessen an ihrem Spiel, ihrer Musik und der Wahrnehmung, was sonst so musikalisch passiert in der Welt und den Reaktionen der Fans und Kritiker lesen und lernen, wie sie sich selbst weiter entwickeln können, neue Facetten ausloten und stetig mehr wissen über die eigene Aktivität und was ihre Musik ausmacht.
Überraschend zuerst einmal ist das Intro zu "Music for Kings". Das Studium klassischer Musik wohl nicht zuletzt inspirierte sie zu einer Ouvertüre, die auf Kirchenorgel gespielt wurde, Tasten, Pedalen und Registern ein beeindruckendes Stück Musik abringt, das beides ist, klassisch und rockgeprägt. Bis in das zweite Stück hinein fließt der lang ausklingende letzte Orgelton, und erst hier setzt die Band mit elektrischen Instrumenten ein. Furios gleich, kraftvoll, mit schön aufgehender Komposition, kraftvoll Metal mit Jazz-Note in der Melodie, vertrackt und bissig, klug und solistisch schließlich ins Offene findend. Melodisch ist deutlich mehr Jazz in den Songs zu finden als auf dem letzten Album "Metronomicon" (2009). Die Band beweist sich stilistisch mutig wie auf den Alben zuvor, kein Fünkchen Pop oder Mainstream sind in die Songs eingelagert. Zwar arbeiten sie nicht avantgardistisch und schräg, was im Genre durchaus möglich ist, dafür sehr fein und detailreich komponiert, intensiv gespielt und stets überzeugend. Die machen genau das, was sie wollen und folgen keiner Tendenz von außerhalb der Band, die nicht innerhalb der Band gewünscht ist. "Trois filles du roi" kehrt in die Kirche zurück. Die Einführung in das deftig groovende Metalstück singt ein Chor aus drei Opernsängerinnen, entweder ist im Studio der Sound auf das Volumen der Größe von Kirchenräumen eingestellt worden oder die Aufnahme erfolgte tatsächlich in einer Kirche. Der räumliche Klang ist grandios. Wenn der Chor zu Anfang des Stückes auch nur sehr kurz singt, bestreiten Band und Chor doch die letzte Minute des Stückes gemeinsam.
"David" ist die wohl jazztypischste Nummer im neu entstandenen Repertoire. Der Pat Metheny-Einfluss findet ausgiebig Raum. Wie hier sind manche Soli Benjamin Schwenens von nachdenklich melancholischer Note, findet im radikal harten Sound der Band tiefe Lyrik ihren Raum, die der illustren Härte der metallischen Stücke kein Gran Intensität nimmt, die Facettenbreite nur erweitert.
9 Tracks, 43:36 Minuten. Viel Arbeit steckt drin, sehr kurzweilig die Wirkung. Will ich live sehen/hören.

counterworldexperience.de

VM




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