Counter-World Experience "Leaving Lotus" (Headship Music, VÖ: 19.01.2007)

Kein Genre ist wohl so unerreicht wie Jazz-Metal. Viele Bands haben probiert, Metal und Jazz zu verbinden, auf diverse Art und Weise. Counter-World Experience kommen dem wie manche andere Band nahe, Jazz-Metal bleibt jedoch nach wie vor ein angestrebtes (avantgardistisches) Ideal.
Progressive Metal oder Math Rock passen viel eher - aber egal, Schubladen sind Blödsinn, die Band ist exzellent damit unterwegs, heftig harte Musik schön komplex zu gestalten. Die rein instrumentalen Stücke sind voll ausgetüftelter Ecken und Kanten, kleiner und kleinster Licks und Brüche, Harmonien und Disharmonien, rhythmischer Umwälzungen und agogischer Zentren.
"Leaving Lotus" ist bereits das dritte Album der deutschen Band. Etliche Bands dieses Stils haben auf ihren CDs zumeist weniger als 30 Minuten, die aus knüppeldick gefüllten, geradezu berstenden Songs bestehen. Counter-World Experience spielen zwar auch sehr technische Songs, haben zudem aber einige Tracks mit viel Freiraum für ambiente Sounds und lyrische Motive, die mit zarter, weicher Melodik fast als Hintergrund für Fernsehdokumentationen passen könnten, so etwa "FeMalice - The Lobster under my Skin". Im beiliegenden Presseblatt ist Pat Metheny gelistet, und tatsächlich ist der Jazzanteil bei Counter-World Experience eher von der leichteren Art Methenys als etwa der weitaus schrägeren und härteren des genial-avantgardistischen John Coltrane, des Endsechziger/Frühsiebziger Miles Davis oder des Mahavishnu Orchestras (meines Erachtens kommt nichts so sehr Jazz-Metal nahe wie die ersten beiden Platten des Mahavishnu Orchestra). Die besondere Qualität Counter-World Experiences liegt in den metrisch-komplexen Riffs, die sie wie Meshuggah exzellent zu spielen verstehen und dem melodisch-technischen Aufbau um die Riffs herum. Das Trio Benjamin Schwenen (g, g-synth, prog), Thorsten Harnitz (dr, perc, prog) und H. D. Lorenz (b) versteht es vorzüglich, technische Metalriffs mit fragilen und dramatischen Melodieaufbauten zu versehen. Die lyrischen Stücke hingegen sind zu leicht, harmonisch und haben weniger Charakter als die disharmonischen, schrägen Tracks.
Ich würde der Band als Inspiration härteren, wilderen Jazz wie oben genannt empfehlen, die atmosphärischen Sounds disharmonischer, dramatischer und als Resultat ambienter und sphärischer zu gestalten und natürlich die Meshuggah-Riffs beizubehalten und auszubauen. Die 10 Minuten Pause am Ende sind eher Störfaktor und verstärken das Abgleiten in die Tiefen der Musik nicht. "Leaving Lotus" ist ein hervorragendes Album mit knapp 45 Minuten Musik, die für Liebhaber von technischem Progressive Metal nur zu empfehlen sind.

counterworldexperience.de

VM




Zurück