Clearlight "Symphony" "Forever Blowing Bubbles" "Le Conte du Singe Fou" "Delired Cameleon Family" "Visions" (Clearlight 2000)

Clearlight war Zeit seines Bestehens das Projekt von Cyrille Verdeaux. Der Pianist mit großem kompositorischen Vermögen sammelte im Frankreich der frühen 70er Jahre Musiker um sich, mit denen er Alben einspielte. Darunter befanden sich ehemalige oder spätere Mitglieder von Gong, Magma und anderen bekannten französischen und nichtfranzösischen Bands. Unter anderem waren die Geiger David Cross (King Crimson) und Didier Lockwood (u.a. Magma), der Gitarrist Christian Boulé und Saxophonist Didier Malherbe (Gong) bei Konzerten und Studio-Aufnahmen dabei. Die erste Veröffentlichung war 1973 "Symphony", bestehend aus zwei über 20 Minuten langen psychedelisch- symphonischen Stücken. Als erster französischer Musiker bekam Cyrille Verdeaux bei einer großen britischen Plattenfirma einen Vertrag, bei Virgin. Steve Hillage (Gong) spielte Gitarre, Didier Malherbe Saxophon. Schwere Piano- und Keyboardarrangements bestimmen das Stück, von der space-psychedelisch verhallten Gitarre und Mellotron-Chören bombastisch verstärkt. Dabei entfaltet sich keine komplexe Vielfalt, sondern minimalistische Dauerwiederholungen führen den Song, wie sie für den frühen Psychedelic-Rock typisch waren. Diese breit angelegten und arrangement-schönen instrumentalen Läufe klingen angenehm nachvollziehbar und machten die LP erfolgreich. Das Schlagzeug malt komplexe Strukturen. Melodie- und Strukturwechsel machen das Werk interessant. "2nd Movement" kommt ganz ohne Rhythmusabteilung aus. Viel elektronischer, von Synthezisern und Mellotron geprägt, sehr bombastisch und dennoch wie dahingehaucht klingt das Stück. Das Arrangement bricht mitten drin auf, Malherbe spielt avantgardistische Töne auf seinem Saxophon, die zuerst wie das Gegacker eines Huhnes klingen, die Keyboards spielen verrückt und als würde das Orchester im Graben vor der Bühne sich warmspielen, entwickelt sich ein nettes, verrücktes, aber kontrolliertes Durcheinander, auf dessen Höhepunkt der Tonberg in sich einstürzt und sanft-verhallte Lyrik sich entfaltet, die sich wieder steigert und zu großem Bombast aufläuft, von wilder Gitarre angetrieben. Überall tun sich jazzige und klassische Einflüsse auf, von Debussy bis zum Mahavishnu Orchestra hat Cyrille Verdeaux viel in seine Musik integriert. "Symphony" ist ein großer Erfolg gewesen. 20 Jahre später nahm Cyrille mit neuer Technik "Symphony II" auf, das jedoch nicht an die alte Qualität anschließt.

Ein Jahr später folgte "Delired Cameleon Family". Verdeaux meint im Booklet, das Album sei in vier Tagen in spontanen Aktionen und Improvisationen eingespielt worden. Das Studio war voller Musiker, die wiederum voll Haschisch und LSD waren. Einige von ihnen spielten spontan mit und so klingt das Werk auch: wie eine freie Jam, mit weiten psychedelischen Flächen, einem vielfachen Ryhthmusgerüst und verhallten Stimmen, Percussions, Tablas, Gongs, Tampooras. Trotzdem sind die Songs alles andere als beliebig. Die symphonischen Elemente sind weitgehend verdrängt beziehungsweise in den psychedelischen Tönen aufgegangen. Jazzige Passagen durchbrechen die wabernden Soundwälle und bringen Struktur hinein. Heutige Kiffer werden wohl mehr mit Dancefloor am Hut haben, die damaligen jedoch flogen auf Clearlight. Progressive Freaks werden jedoch enttäuscht sein, komplexes Musikgut ist auf diesem Album nicht zu finden. Ganz anders ist das mit dem folgenden "Forever Blowing Bubbles" von 1975. Symphonische und komplexe Momente, wie sie auf den Alben der großen Progressive-Bands bestimmend waren, gibt es hier zuhauf. Da baut sich eine spannende Melodie (Chanson), wird von schwerem Schlagzeug angetrieben und bricht sich in einer harten Jazzrock-Passage mit elektrischer Geige (David Cross) auf, um auf seinem Höhepunkt in sich einzustürzen und ein versponnen-lyrisches Stück zu werden, auf dem die Geige eine fantastische Melodie spielt, von einem verhallten Chor begleitet. Traumhaft. "Without Words" setzt auf psychedelische Typica, um mit Vibraphon und großflächigem Keyboardeinsatz eine symphonische-jazzige Ballade daraus werden zu lassen. "Way" steigert die Lyrik bis fast zur Stille, von den zarten Vibraphon-Figuren wundersam strukturiert. Darüber gleitet ein schweres Mellotron und die elektrische Violine zerrt einen heftigen Rock auf, der Gänsehaut wachsen läßt. In den folgenden vier Stücken bauen die Tasten die Melodie, auf denen heftige Rockmusik wächst, im Gegenspiel von Geige und Gitarre. Als Bonus gibt es drei Songs, unter andern "Without Words" im Mellotron-Remix, ganz ausgezeichnet. Clearlight hatten zu einem Höhepunkt gefunden. Der von "Les Contes du Singe Fou" (1975) übertroffen werden wollte. Hier spielt Didier Lockwood die elektrische Geige, Tim Blake (Gong) Syntheziser und Yves Chouard die Gitarre. Wieder beginnt das Album mit schweren Keyboardpassagen, typisch für Clearlight. Der Bassist hat Chris Squire gut zugehört und liebt seinen Rickenbacker. Die elektrsiche Geige ist plötzlich viel jazziger und die komplette Struktur geht mehr in Richtung Jazzrock. Kein Song sticht besonders hervor, alle 9 Songs sind ausgezeichnet arrangiert, komponiert und eingespielt worden. Die elektrische Geige, die immer wieder über den komplexen Keyboardmelodien improvisiert, bestimmt viele Passagen des Werkes, wechselt sich mit der Gitarre und Piano ab. Aber auch die ausgezeichnete Ryhthmusstruktur ist besonders beeindruckend. Dieses Album ist der absolute, geniale Höhepunkt im Schaffen von Clearlight.

     

1978 gab es wieder ein Clearlight-Album. "Visions" klingt auf den ersten Ton ausgereift. Komplexe Jazzfiguren brechen aus lyrischer Sanftheit aus, Vögelstimmen singen im Hintergrund, eine Flöte malt einen sonnigen Vormittag und das Piano setzt der Romantik den roten Hut auf. Das ist eindeutig zu süß. Doch dann wift sich wieder die elektrische Geige darüber und Rockmusik setzt ein. Gleich kommt es zu einem Dialog zwischen Geige und Saxophon, von einem spannden Rhythmus angetrieben. In den 14 Songs der CD (incl. Bonustracks) werden immer wieder schöne, heftige Momente aufgegriffen. Jazzverseuchte Noten, krachend gespielt. Aber leider bestimmen sanfte und zu schöne, kitschige Töne das Werk. Gesang ist einbezogen worden und die Struktur wird von Refrain und Strophe bestimmt, weniger von Instrumentalteilen. Zusätzlich breiten sich wieder psychedelische Typica aus, die jetzt zwar eher ethnisch bestimmt sind, stiller, eindrucksvoller und melancholischer klingen, aber Jazz und Progressive weniger Raum lassen. "Visions" bringt die guten Momente der zwei Vorgängeralben wieder mit sich, vermischt und verwässert sie aber. Wer sich mit der Band auseinandersetzen möchte, sollte mit "Forever Blowing Bubbles" und "Les Contes du Singe Fou" beginnen.

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