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The Claudia Quintet "For" (Cuneiform Records 2007)
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Das vierte Werk zeigt den New Yorker Ausnahmeverbund The Claudia Quintet jazzbetonter, als dies die drei Vorgängeralben taten. Jede bisherige CD zeigte Einflüsse von Rock über Jazzrock bis zum Freejazz. "For" ist keine konservative Steigerung, obschon sich eine gewisse geschmeidige Zartheit durch die schrägen, intellektuellen Arrangements drängt, die den Höreindruck erleichtert. Drew Gress (acc-b), John Hollenbeck (dr, perc), Matt Moran (vib, voc), Ted Reichman (acc) und Chris Speed (cl, ts), allesamt mit reichlich Erfahrung in Jazz und Pop ausgestattet, lassen ihr 4. Werk gelassen und entspannt klingen.
Nachdenkliche und forsch-frech-würzige Motive ergänzen einander, schlagen in einigen Stücken gar, wie in "August 5th, 2006", einige mutige Schlenker ineinander. Der zarte Klang der Klarinette, das folkloristische Akkordeon, der rockbetonte Jazzrhythmus des Schlagzeuges, der akustische Jazz-Bass und die erfrischende Verspieltheit der Tonvariablität des Vibraphons sind in dieser Verbindung, diesen Arrangements, eine wirkliche, in den Bann ziehende Eigenart. Stets bleibt es spannend, die Band spielt scheinbar gelassen ihre sommerlichen Songs vor sich hin, um aber stets, plötzlich oder sich entwickelnd, witzige Parts oder radikale Wechsel einzuschieben. Partiell scheint der Fünfer ganz in sich vertieft, wenn minimalistisch in sich stürmende Instrumentalläufe, wie aus dem Song gelöst, wie in Trance, melodisch vor sich hin schwelgen. Überhaupt ist die Band sehr konzentriert und hat, scheints, keine Bedenken, was die Erwartungshaltung ihres Publikums betrifft.
Nach vier nachdenklichen und ins Melancholische kippenden Songs probiert das Akkordeon auf einem aufgewühlten, sehr lebhaften Rhythmus eine Freejazz-Figur, was so klingt, als würde ein Moskowiter Cafehaus-Musiker von einer Wespe gestochen sein unruhiges Liebesleben vor dem Auditorium ausbreiten. Das Saxophon lässt sich von der künstlichen Nervosität anstecken und das bis eben so charmant-brave Quintett stürzt sich übermütig und lustvoll in einen ausgiebigen Freejazz. Die enorme Virtuosität des Vibraphonspiels erhöht den Reiz der aufgewühlten Note, deren knappe 4 Minuten gefühlt viel kürzer erscheinen.
"For You" im Anschluss ist die Ruhe nach dem Sturm, eine quasi psychedelische Erschöpfung quillt aus dem Song. Während die Melodieinstrumente samt Sprecher unartikulierte Klänge entwerfen, die der gleißenden, umgekippten Stimmung den Klang geben, blubbern die Rhythmusinstrumente, allerlei Perkussion und das wie zufällig, verspielt klingende Vibraphon, diese abstrakte, unruhige Ruhe, diesen Tagtraum zwischen Erschöpfung und Erholung. Fast eine Meditation, fast ein religiöser Klang.
Als dies ausgeklungen ist, macht sich die Band 9 Minuten lang ausgiebig über "Rainy Days/Peanut Vendor Mash-up" her, ihre komplexeste, und in aller Virtuosität doch nachdenkliche Note. Herrlich, dieser epische Rhythmus, der den Melodikern viel Raum lässt, sich frei auszudrücken. Könnte in der Basis quasi eine Zappa-Komposition sein, wovon sie melodisch weit entfernt ist. Besonders grandios ist das Schlagzeugspiel des Grammy-nominierten Ensemblechefs John Hollenbeck und die erstklassige Melodiearbeit des Vibraphonisten Matt Moran. Aber auch die Intensität in Drew Gress' akustischem Bassspiel ist hinreißend.
Bevor die fünf Musiker sich in The Claudia Quintet vereinigt haben, waren sie in viele Projekte involviert, haben Avantgarde-, Big Band- und Freejazz ebenso gespielt, wie Rock, Pop, freie Improvisation, jüdische Musik oder gar Country. Wohl erst in diesem Ensemble kommen ihre Technik, ihr Improvisationstalent und stilistische Identität ganz zur Entfaltung. Sie sind nicht bei großen Namen engagiert, es ist ihre Band. Der unterschwellige, charmante, stets anwesende Humor ihrer Musik spricht dafür.
johnhollenbeck.com
cuneiformrecords.com
VM
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