Christian Wallumrød "Pianokammer" (Hubro Music 13.02.2015)


Nur 37:21 Minuten lang ist das auf CD und LP produzierte erste Soloalbum "Pianokammer" des norwegischen Pianisten und Komponisten Christian Wallumrød. Mit Pianokammer ist wohl nicht nur der Raum gemeint, in dem das Instrument steht, sondern auch der Raum, den das Instrument ausfüllt und den es beinhaltet. So lassen sich immerhin Klänge erklären, die hier zu hören sind, sich aber nicht dem klassischen Sinn nach dem Instrument zuordnen lassen. "Fahrkunst" als Track 1, 7:32 Minuten lang, lässt dunkle Töne anschwellen und abebben. Fast scheint der ‚Sound' wie Klang gewordener Traum. Als würden ambient und melancholisch gestimmte Bilder diffuser Natur vor dem inneren Ohr vorüberziehen.
Christian Wallumrød, 1971 geboren, gilt in Norwegen mit seinem Hintergrund als Kirchen- und Jazzmusiker als einer der großartigsten modernen Komponisten und Pianisten. Die 6 Stücke auf der CD wurden an mehreren Orten auf verschiedenen Flügeln eingespielt. Und nicht nur eingespielt, Christian Wallumrød experimentierte mit unterschiedlichen Aufnahmetechniken, Spieltechniken, setzte auf Overdubs, Resonanzen und bearbeitete und schnitt seine Aufnahmen. Zudem produzierte der Pianist sein Album vollständig selbst.
Nach dem traumhaft dunklen Bild des ersten Tracks folgen melodische Stücke, die es in sich haben. Wallumrød spielt Melodien, die oder deren Art bekannt vorkommen, oder die fast logisch erscheinen. Und doch brechen die Hörvorstellungen ständig. Zum einen spielt Wallumrød die melodischen Muster nicht harmonisch durch, bricht in dezente Disharmonien, die beißend mit starkem Akzent in den harmonischen Arrangements sitzen. Überall. Die Auflösungen der melodischen Themen, in sanftem Rhythmus gewogen, gehen ständige Abwege. Als spielte Wallumrød falsch, so eigenartig und systematisch ist seine kompositorische Handschrift, und dabei blumig und lyrisch, dass die harmonischen Brüche funktionieren, ohne die Songs zu zerstören. So macht es den Eindruck, als sei ein ‚schräges' Genie bei der Arbeit, eingängige Songvorstellungen aufzubrechen und den Hörer vor besondere Herausforderungen zu stellen.
"Second Fahrkunst" als dritter Track bindet die ambienten Schwellenklänge mit spitzen, atonalen Pianofiguren, die wie tanzende Kinder über Stock und Stein hüpfen und sich ihrer Eigenart und außerordentlichen Figur nicht bewusst sind. Beeindruckend! Nicht die Idee allein, die Umsetzung ist großartig und nur unbedingt hörenswert.
Zwei weitere, von Disharmonien durchbrochene melodische Stücke folgen, die das Konzept des zweiten Tracks auf eigene Weise fortführen. Hier melancholisch, mit fast leierndem Klang, dort mit atonalen Spitzen am oberen Ende der Tastatur, als sammelten sich dort Tastenanschläge, die weiter hinaus wollten und sich hier jetzt ungestüm und übereinander stolpernd sammeln. Was für eine Kaskade! Wohl der expressionistischste Teil des extravaganten Albums.
Die minimalistische Ballade zuletzt tanzt wieder am disharmonischen Abgrund, verführt den Zuhörer zu Aufmerksamkeit mit thematischem Bruch, obschon die rhythmische Gestalt gleichbleibend und von tiefer Lyrik ist.
Einfach ist anders. Dies ist eigenwillige Kunst, die indes kein großes Gewese um ihren Inhalt macht. Wer das Pianospiel genießen will, muss sich darauf einstellen, dass seine harmonischen Vorstellungen ständig angegangen werden. Und damit bis zum Ende durchhalten.
Witzig und klug!

1. Fahrkunst (07:32)
2. Hoksang (04:40)
3. Second Fahrkunst (05:28)
4. Boyd 1970 (06:04)
5. School of Ecofisk (04:44)
6. Lassome (08:52)

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VM



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