Chaneton "The First Lights of the Century" (Eigenveröffentlichung 2004)

Ein südamerikanischer Diktator, der in den frühen 1970er Jahren in England studiert (und damals noch eher links als rechts orientiert war), dort in einer Kommune gelebt hatte und die (heutigen) Klassiker der Rockmusik liebte, hat vor kurzem, jetzt als straff rechter Landesvater nach militärischem Sturz der demokratischen Regierung begonnen, sein Land in den Untergang zu führen. Zu seiner persönlichen Ergötzung hat er von seinem Geheimdienst die Mitglieder der britischen Rockband Genesis in sein Land entführen lassen und sie in einem separaten Schloss untergebracht. Die 5 Musiker sind dazu angehalten worden, ihre alten Songs wieder einzustudieren und das Material von 1971 bis 1975 live vor geladenem Kreise von Freunden des Diktatoren aufzuführen. Nachdem die Jungs mindestens einen Monat damit verbracht hatten, sich damit abzufinden, nicht dort wegzukommen, ihren Machteinfluss und Namen nutzen zu können, um aus dem Gefängnis, das in Wirklichkeit sehr luxuriös, aber sicher war, zu entkommen, hatten sie einen weiteren Monat damit zugebracht, sich gegenseitig zu bekriegen. Beschimpfungen, Beleidigungen, gar Schlägereien waren an der Tagesordnung. Kein Wunder, die Recken waren aus ihrem Umfeld gerissen, völlig von der Außenwelt isoliert und nur im Kontakt mit ein paar Dienern und gekauften Frauen, die sämtlichst kein Englisch sprachen. Nachdem die Mütchen gekühlt waren und die Jungs gar begannen, Anekdoten aus der plötzlich doch wieder guten alten Zeit zu erzählen, dauerte es nicht lange und sie spielten nicht nur in ihren privat und einzeln liegenden Proberäumen miteinander, sondern gemeinsam im gemütlich-atmosphärischen Wohnzimmer. Der Diktator hatte einen dreimonatigen Krieg hinter sich, als er seinen ersten Besuch bei seinen alten Heroen abstattete. Er war erstaunt, über den Übermut und die Lustigkeit in den Gefängnishallen, denn hatte er zwar in aller Naivität geglaubt, die Band wieder zusammenzubringen, hatte er doch nicht daran zu denken gewagt, diese Gemütlichkeit vorzufinden. Nachdem einige Gläser feinen chilenischen Rotweins (kürzlich erobert) geleert worden waren, fragte er nach einer musikalischen Kostprobe, die ihm prompt serviert wurde. Der Diktator war glücklich.
Weitere Einzelheiten sollen hier nicht angebracht werden, so zum Beispiel die sich dann noch anschließende offene Feindschaft zwischen Phil Collins und Peter Gabriel. Das Konzert kam, die Band spielte sich die Finger wund - es war genügend chilenischer Rotwein vorhanden. Der begeisterte Diktator trat im Anschluss des Konzertes an die Band mit dem Anliegen, ja der Forderung heran, neues Material einzuspielen. Die Band lehnte dankend ab, mächtig betrunken und übel von dem alten Müll, den sie soeben spielen mussten, verzogen sie sich in ihre Gefängnisgemächer. Doch der Diktator blieb hart. Es musste gar soweit kommen, dass einzelne Bandmitglieder (Mike Rutherford, Tony Banks) ausgepeitscht wurden, weil sie eigenes Popmaterial ablieferten, was den Diktator dazu brachte, wieder einen Monat auf Krieg gehen zu müssen, um diese scheußlichen Klänge schnell wieder zu vergessen und im Blutrausch zu klaren Sinnen zu kommen.
Schließlich ließ er aus einem seiner wirklichen Gefängnisse ein paar junge Männer kommen, die er wegen rebellischer Texte in ihrer ihm eigentlich gefallenden Musik eingekerkert hatte. Die halb verhungerten, von blutigen und eiternden Striemen überzogenen, verschüchterten jungen Männer hingen halb verreckt vor dem Diktator, der sie aufforderte, mit Genesis zu proben und die alte Band so zu animieren, neues Material zu komponieren.
Es hätte nicht viel gefehlt, und die jungen Musiker hätten im Laufe der drei folgenden Monate ihre politische Meinung um 180° gedreht, so gut gefiel ihnen die neue Welt. Dieses Gefängnis mit Masseusen, Liebesdienerinnen, unglaublichen Leckereien und, Wahnsinn, zusätzlich ihren musikalischen Vorbildern, ihren Göttern!, war das Paradies. Sie genasen und wurden Freund mit den gelangweilten, fast ständig betrunkenen Briten (die gar das Interesse an den schwarzäugigen Damen zu verlieren begannen). Doch gemeinsam entzündeten sich Feuer; Lust auf Musik in der Art, wie die junge Band sie spielte, mochten die alten Jungs plötzlich. Und wirklich, sie begannen zu komponieren. Und gemeinsam, alle Instrumente doppelt besetzt, spielten sie die Songs. Der Diktator hatte natürlich seine Spitzel in dem Luxusgefängnis und wusste genau, was los war. Als sich die Sache endlich positiv zu entwickeln begann, ließ er alle Raubzüge und politischen Geschäfte fahren und stürzte sich in die Leidenschaft zur Musik.
Das war natürlich ein Fehler. Rebellen, die den Diktator ebenso beobachteten, wie er sie, bemerkten die plötzliche lasche Hand und überwanden in einer Nacht- und Nebelaktion den Palast des Diktators und per Zufall auch den der Musiker. Sie nahmen alle und alles mit, gar die frisch fertig gekochten Leckereien samt Koch. Die 5 Briten erwachten 2 Tage später aus einem ziemlich harten Alkoholkoma, brauchten zwei weitere Tage, um wieder einigermaßen fit zu sein und stellten zu ihrer Befremdung fest, dass die Damen sich Rebellen hingaben und die jungen Musiker radikale Texte sangen. Doch nicht lange, und sie erinnerten sich ihrer frühen Jugend. Drei Wochen dauerte es und die 10 Musiker hatten ein Album im Kasten, dann verabschiedeten sich die 5 Briten in alle Himmelsrichtungen auf Nimmerwiedersehen und die rebellische junge Band brachte die Aufnahmen unter dem Namen Chaneton heraus. Es wurde gesagt, dass die Songs wie die alten Genesis klangen, nur etwas härter, etwas moderner, ein wenig einfacher und sehr romantisch. (Peter Gabriel war natürlich unverkennbar!)
Zum Glück habe ich die Webseite der Band entdeckt, so konnte ich von diesem Märchen berichten. Ob alles stimmt, was ich hier wiedergebe, kann ich nicht verbürgen. Die Übersetzung vom spanischen ins deutsche hat gewisse Hürden. Aber die Platte ist ein Hit!

chanetongroup.com.ar
VM



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