Byggesett Orchestra "Wild Birch" (Eigenproduktion 2014)


Sehr selbstbewusst und durchaus lustig, dass sich dieses Duo, Georg Sehrbrock (p, e-p, synth) und Peter Körfer (e-b, prog) samt drei partiell auftretenden Gästen, Markus Türk (tr), Johannes Seidemann (bar-s, ts) und Andre Hasselmann (dr), als Orchester, Byggesett Orchestra bezeichnet. Nachdem Band, Ensemble - und was da noch alles eine 'Gruppe' umfassen mag - genannt wurde, ist Orchestra eine nicht nur wohlklingende Alternative.
Byggesett Orchestra.
Sechs überwiegend überlange Songs enthält das Debütalbum des Orchester-Duos. Es geht in episch lyrischer Klangvielfalt los, die sich nach über 5 Minuten einen straighten 4/4 unterlegt, der mich fast wegschalten lässt - dies ist für meine Ohren der absolute Rhythmustod und in keinem Fall zu akzeptieren. Aber ich halte durch, die melodisch fließende Elektronik als Hauptohrenmerk ist sehr angenehm eingespielt und arrangiert, der 4/4, nicht zu laut, sondern eher dezent, muss von mir weggehört werden. Nach einem Einbruch des 4/4 kehrt er verstärkt noch einmal zurück, die psychedelisch symphonische Elektronik zu untermauern, indes nicht wirklich zu schädigen. Die positive Seite des Arrangements überwiegt und besiegt den Feind.
Erst zum Ende der CD gibt es noch einmal einen solchen Fauxpas, dessen Einsatz ich weder verstehen will noch werde.
Als dies überstanden ist, keine Schäden hinterlässt, folgen reiche elektronische Strukturen, die ich stilistisch mit Psychedelic Ambient Trance im eingängigen EMO-Stil beschreiben möchte. Um es mit den Worten des Orchestras zu sagen: Elegante Loops, Minimal Layers, hypnotische, dunkle, stets staubtrockene Drones, & formfreie Passagen zerschellen an radikal strukturierten Parts, schwere Soundscapes und treibende Percussion lassen zerklüftete Landschaften entstehen und verweben alle Anteile zu einer feurigen Melange. Das kann ich so unterschreiben.
Die sehr zarte Songsprache ist lyrisch reich und hochmelodisch, baut schöngeistige Motive ein, gar äußerst gelungene Jazzdisharmonien, die kaum vordergründig für den warmen Angenehmklang sorgen, während Stimmen spielender Kinder im Off den Beschützerinstinkt entspannen.
Im 12:01 Minuten langen "Drifting Puzzles", einer relativ simplen Komposition mit hochmelodischen elektronischen Sounds als sphärischer Begleitung, ist der erst lange elektronische Rhythmus dezent und differenziert gehalten, was sehr angenehm ist. Der späte Schlagzeugeinsatz ist meinem Empfinden nach etwas zu sehr ins Off verwoben, indes passabel. In der Breitwandballade "Wild Birch" fährt noch einmal kurz Schlagzeug zum Ende des filmmusikartigen Tracks auf. Da wird aus der sphärischen Note ein schräges Stück Jazz mit atonalen Einflüssen und schwerer Rockdüsternis, was daraufhin verweist, dass ein Teil der Inspiration des Orchestras Doom Metal oder Avantgarde Prog ist.
Im sechsten und letzten Stück des 53:34 Minuten langen Albums, der "End Titles" benannt ist, tanzt die dezente Elektronik Oldfield-artige Partien, bis schließlich wieder aus dem Off der 4/4 auftaucht, der die Passage bis zuletzt unterhält.
Trotzdem: eindrucksvolle Arbeit, lyrisch ambientes Schöngeistwerk.

staticmusic.de
byggesett-orchestra.de
VM



Zurück