The Gary Burton Quartet "Lofty Fake Anagram" "A Genuine Tong Funeral" (Sony BMG 1967/68 / Beat Goes On Records 2006)

Gary Burton ist einer der erfolgreichsten und technisch ausgefeiltesten Mallet-Spieler im Jazz. Bereits 1963 hat der vom Vibraphonisten Milt Jackson, vor allem aber dem Pianisten Bill Evans beeinflusste Gary Burton in Stan Getz Band gespielt. Gary Burton vergleicht das Vibraphon eher mit dem Piano, als mit Perkussion. Er spielt vier verschiedene Sorten Mallets, auf denen er Harmonien und komplexe Linien spielen kann - wie auf dem Piano.
Bereits 1962 begann Gary Burton, dessen Studium an der Berklee School of Music vom RCA Label finanziert wurde (er hatte bereits mit 17 Jahren einen Kontrakt über 7 Jahre mit RCA!), unter eigenem Namen zu veröffentlichen. Zumeist in der Besetzung Vibraphon, Gitarre, Bass und Schlagzeug, oft in Trio- oder Duobesetzung, aber auch in großen Ensembles, wurden seit 1962 etliche Alben unter seinem Namen veröffentlicht. Bis 1968 bei RCA unter Vertrag, wechselte Gaby Burton anschließend zu Atlantic, um ab 1972 beim deutschen Label ECM zu veröffentlichen.
Das "klassische" Gary Burton Quartet war 1967 zustande gekommen, als Gitarrist Larry Coryell zu Burton, Steve Swallow (b) und Roy Haynes (dr) stieß. Eine feste dauerhafte Besetzung wurde dieses Quartett dennoch nicht, Coryell wurde bald darauf unter eigenem Namen aktiv, Steve Swallow und Roy Haynes wurden seit Ende der 60ern zu gefragten Projekt- und Studiomusikern, die vor allem im Jazzrock/Fusion - Bereich (bis heute) erfolgreich sind. Larry Coryell wechselte auch vom Jazz zum Jazzrock und ist einer der weltbesten Jazzrock-Gitarristen, der bis heute stilübergreifend etliche LPs und CDs einspielte.
Die beiden auf dieser 2CD enthaltenen LPs "Lofty Fake Anagram" und "A Genuine Tong Funeral" sind in der "klassischen" Besetzung eingespielt worden, mal abgesehen davon, dass auf der zweiten LP statt Haynes der Schlagzeuger Lonesome Dragon spielte, und das 10-teilige Werk von diversen Bläsern und Carly Bley an Piano und Orgel begleitet wurde.
"Lofty Fake Anagram" von 1967 ist ein aufregendes, dynamisches Werk, dessen Songs aus dem melodischen Unisono-Spiel Coryells Gitarre und Burtons Vibraphon lebt. Gary Burton spielt unglaublich lebhaft und virtuos, in einigen Songs, wie etwas dem Opener "June The 15, 1967" sind bereits Fusion-Ansätze zu hören, komplexe Parts, die agogische Zentren markieren.
Blues, Post-Bop und Modern Jazz treffen in diesem einzigartigen Arrangement zusammen. Steve Swallow (hier noch mit Stehbass) und Roy Haynes pausieren in einigen Tracks, fahren aber zur Hochform auf, wenn sie die Möglichkeit bekommen ("The Beach").
Ein intensives, leidenschaftliches Werk, aus kühlen Melodielinien und heißem Rhythmus geschmiedet. Schon diese LP allein ist ein Muss.
"A Genuine Tong Funeral" ist die erste Burton Adaption einer Carly Bley Komposition. Die Dame mit dem unzähmbaren Lockenhaar führte diese ihre Komposition mit ihrem Jazz Composers' Orchestra das erste Mal 1964 auf. In Burtons Version, die nicht auf Piano, sondern Vibraphon als Zentrum konzentriert ist, ist viel intensiver Spielwitz und Virtuosität zu hören. Das lebhafte, komplexe Werk erfährt in dieser Besetzung eine ganz neue Dynamik. Der Humor der Komposition kommt in der fragmentarisierten Auseinandersetzung zwischen den bläserbestimmten lauten Sätzen und den harmonischen Vibraphon-Parts außerordentlich gut zur Geltung. Krachige Passagen, die in die Lyrik des eleganten Vibraphon-Spiels fallen, erschrecken auf komische Weise. Die lauten Passagen gipfeln wie im auflösenden, abschließenden Thema von "The New National Anthem/The Survivors", das auf LP noch mit dem Untertitel "Son of Jazz/life goes on - back into the fray" versehen war, in freejazz-artigen Attacken, in denen Saxophone kreischen und ein irres Bläsergetümmel anhebt. Ein radikales, modernes Werk, dessen reiner, klarer Ton zeitlos ist und heute wie damals überzeugt, ob nun in Sound, Komposition oder Arrangement - Burtons "A Genuine Tong Funeral" ist ein unvergleichliches Meisterwerk.
Beide Alben wurden für das BGO Release digital remastert. Im Booklet ist Gary Burtons Werdegang und seine Geschichte zur Entstehungszeit dieser LPs anschaulich nachgezeichnet worden. Unbedingte Empfehlung für diese Produktion!

bgo-records.com
VM



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