Nick Smart's Black Eyed Dog "Remembering Nick Drake" (33 Records, VÖ: 02.06.2006)

Nick Drake war ein besonderer Songwriter. Seine Stärke waren Balladen, die immer wieder gern gecovert werden. Seine Kompositionen haben diese tiefe bittersüße Würze und schwermütige Melancholie. Diese Stimmungen finden sich auch auf "Remembering Nick Drake" des britischen Jazztrompeters Nick Smart wieder, der mit 8-köpfigem Jazzensemble und Gästen samt Streichquartett acht Drake Songs eingespielt und dazu komplett neue Arrangements geschrieben hat, die zwar die Songs erkennen lassen, sie aber vollständig umkrempeln und ihnen neues Leben einhauchen.
Der virtuose Jazzvulkan lehnt sich an den genialen Klang der großen, improvisativ solierenden Rock- und Jazzensembles der 70er Jahre an, erweitert das um moderate Big Band Anklänge und gibt eine Spur Easy Listening hinzu und lässt die Songs maximal so laut werden, wie einst King Crimson ihre Stücke auf ihrem 1971er Album "Islands". Der stets aktiv melodierende Stehbass und das Jazz-Schlagzeugspiel halten die Basis, auf der die Bläser federleichte und doch ausgesprochen abstrakte und begnadet harmonische Läufe spielen. Wenn die Bläser die komponierten Motive unisono wiedergeben, scheint es, als wäre die CD vor 35 Jahren eingespielt worden. Nick Smart ist Musiklehrer, gibt Kurse an Universitäten und ist neben seinen Engagements in diversen britischen Jazz-Projekten und -Bands auch im Pop/Rock aktiv. Seine Stärken liegen im gleichen Bereich wie einst bei Nick Drake. Smart hat ein großes Faible für balladeske Strukturen, die weder eindimensional oder kitschig, noch billig oder oberflächlich sind.
Die 8 Tracks auf "Remembering Nick Drake" wurden über anderthalb Jahre eingespielt. Smart hat sich Zeit gelassen, die Arrangements überarbeitet und eine elegante, hinreißende Arbeit getan, die neben aller lässigen Eingängigkeit und höreinfachen Harmonie doch intensive Stimmungen auslotet und nicht den Hauch Kitsch oder zeitgeistigen Pop in die Songs hat einfließen lassen.
Dazu tragen auch die Stimmen der beiden Sänger Christine Tobin und Nick Mailing bei. Vor allem Mailings Stimme mit diesem nonchalanten, verlorenen, lyrischen Ton ist von großer Ausdruckskraft. Gänsehaut!
Gänsehaut gibt es auch über die kompletten 6 Minuten von "Way To Blue", das von dezenten Bläsern, gehauchter Rhythmusfraktion und vollmundigem Streichquartett intoniert wird. Ein Song für Verliebte und Verlorene, irgendwo weit über umgekippter Ekstase, als wunde Größe an moderner musikalischer Ausdruckskraft. Ein Himmel an Musik!
Die leidenschaftlichsten Momente bringt die Musik, wenn die hinreißenden Bläserarrangements sich aus der Realität lösen und weit entführen. So leicht und soft die Stücke dann sind - und gar einem poppigen Funk-Rhythmus erlauben, sich dazu zu gesellen, wie partiell in "Poor Boy" - so tief und mit ganzer Hingabe gemacht klingt es dann. Gewiss keine Avantgarde. Eher ein introvertierter Einblick in die Seelenlandschaft beider Nicks, Drake wie Smart.

33jazz.com
VM



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