Beppe Crovella "What's Rattlin' On The Moon?" (Moonjune Records 2010)

Der Künstler und Meister Beppe Crovella (Keyboarder der legendären Italo JazzProg Kapelle Arti & Mestieri [zwei erstklassige (1974/75) und ein ganz nettes Album (1979) + noch was] und Solokünstler mit einigen Ergüssen [plus Romantic Warriors, dem böse missglückten Arti & Mestieri Nachfolgeprojekt] gibt sich die Ehre und veröffentlicht ein Album mit "a personal vision of the music of Mike Ratledge", seiner eigenen Version, Soloversionen von Ratledge-Kompositionen. Mellotron-Fans kommen hier voll auf ihre Kosten, zwar gibt es auch Wurlitzer, Fender Rhodes, Hammond, Hohner, Rösler und Farfisa Tasteninstrumente zu hören, den Hauptanteil hat jedoch der Progressive Rock Suchtspeicherapparat Mellotron.
Das Konzept zur Platte hat Beppe Crovella mit Moonjune Labelinhaber Leonardo Pavkovic erdacht, Letzterer hat etliche Veröffentlichungen von Soft Machine, Projekten um die und nach der Band sowie Musik im Geiste der legendären Truppe aufgelegt, und dieses ist anders. Ganz anders.
Mike Ratledges Kompositionen sind in dieser Gangart kaum als mit Soft Machine verwandt zu erkennen. Das düstere Dröhnen, schwelgerische Sinnen im lyrisch verspielten Klang der dezenten, zarten Songs hat elektronische Werte, symphonische, starke symphonische, und verträumte. Es scheint, Beppe Crovella habe eher einer symphonischen als einer jazzversumpften Prog-Band die Kompositionen entnommen, um daraus, ja, symphonische Verspieltheiten zu machen, die in den überwiegenden Fällen sehr einladend wirken - in einigen jedoch eher irritierend.
Die CD ist in drei Parts gegliedert, deren erster aus 10 Tracks und die beiden folgenden aus jeweils drei Stücken bestehen. Ein stilistischer Unterschied ist dabei kaum auszumachen. Die Songs sind überwiegend dunkel, düster, melancholisch, nachdenklich, verträumt, erhaben, sphärisch, leben aus ihrer Themenvielfalt, mancher Track scheint aus gleich mehreren Kompositionen zu bestehen, so unterschiedlich wirken die einzelnen Anteile. In den überwiegend bestimmenden Mellotron-Sound mischt sich akustisches Piano, Wurlitzer oder Fender Rhodes, die Sounds sind allerliebst und werden Progsüchtige verzücken, wenn die wohl auch die Begleitband vermissen werden.
Melodisch geht Crovella den dunklen Sound partiell sehr avantgardistisch an, so legt er atonale Harmoniebrüche und kratzige Jazzphrasen über den harmonischen Grundsound, hier gar mal einen seltsamen, dafür sehr kurzen Rock'n'Roll-Ausflug (Ende vierter Song), hymnische Chor-Phantasien, jaulende Solostimmen aus dem Mellotron, schwere Lavaklänge vom Fender, Nicht-Blues auf der Hammondorgel, extravagante Melodieexegesen auf dem elektrischen Piano - stets oder fast stets vom Mellotron abgefedert/untermauert/aufgebauscht/bedröhnt/bombasterisiert - wer genau zuhört, sagt in jedem Song fünfmal, das sei jetzt Ratledge und zehnmal, das kann der nie komponiert haben. Beppe Crovella hat viel eigene Idee in das Projekt fließen lassen, dem harmonisch eigenwilligen Ratledge-Sound nicht die markante Note genommen, aber diverse kuriose bis seltsame Eigenwürze zugetan. "What's Rattlin' On The Moon?" kann an der Progressive Rock Uni im Fach Mellotron kaum ignoriert werden, ist definitiv ein Album für Musiker, nichts für Nebenbei und eine unglaubliche Entdeckungsreise. Raffiniertes Werk, schräg und ungewöhnlich, sehr schön und in allem Ernst eher humorig als ernstgrau. Verblüffend, dass Jemand, Beppe Crovella, die Idee dafür hatte und sie schließlich in die Tat umgesetzt hat. Es gibt wohl nichts, was es nicht gibt. Sogar und auch gutes Zeug.

beppecrovella.com
electromantic.com
VM



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