Beat Circus "Boy From Black Mountain" (Cuneiform Records 2009)

"Boy From Black Mountain" ist trefflich verpackt. Das Design der Verpackung, des Booklets, ja das Papier in seiner festen, groben Struktur, das für das Booklet verwendet wurde - alles strahlt eine ländliche, quasi idyllische Gemütlichkeit aus, handfeste Ehrlichkeit, anpackendes, geschichtsträchtiges und -bewusstes Gefühl von Stolz und Eingerichtetheit: wir sind Amerika. Americana ist lange schon auf dem Vormarsch, Jazz und Metal toben sich hier aus, Metallica gar, und die avantgardistische Szene überlässt das Genre nicht allein der konservativen und der Mainstream-Klientel. Nach den 80ern, in denen der instrumentale Digitalsound künstlich und blechern war, und den zurückfindenden 90ern ist schon wieder das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts/Jahrtausends verstrichen und heute suchen Musiker und Techniker den Sound wieder, der den Instrumenten historisch innewohnt. Klare Strukturen, saubere Klänge, es soll so klingen, wie in der überletzten guten alten Zeit, der Vor-Internet- und Vor-Computer-Zeit, die heute nostalgisch verehrt oder von melancholischen Träumen beseelt wird.
Americana ist es in den Nordstaaten Amerikas, und die Folklore legt auch in Europa ihre Kerne frei, schminkt sich ab und findet zu Ursprünglichkeit und jungfräulicher Natürlichkeit. Da entschlagert sich, hier wie dort, eine Szene, wird wieder lebendig, die viel Potential hat und - silence is the new loud - eine Innigkeit und Lebensfreude aufmacht, die ansteckend ist und Gefühle beantwortet, die lange verkümmert, unentdeckt und ungeglaubt waren: die akustische Musik der Vorvorväter ist nicht blöde, kein Spießerkram, keine dumpf-martialische Musik, sondern schalkhaft, harmoniereich und lebensfroh, im besten Fall.
Schön, dass die Avantgarde-Szene dem Aufkommen historisch gewachsener Musik nicht kopf- und aktionslos gegenübersteht, sondern mittut, und Bands/Musiker fördert, urbane Musik zu erschaffen, historisches Folk-Verständnis mit instrumentaler Bildung vereint und einen - nicht überladenen, aber reichen - Sound erfindet und interpretiert, dem auch Freunde ambitionierter und ausgefallener Klänge mit Genuss lauschen können.
Beat Circus gehen bei Cuneiform Records mit "Boy From Black Mountain" in die zweite Runde. Zuerst macht es den Anschein, als könne die Überraschung und Vitalität des ersten Albums nicht wieder erreicht werden, weil eigentlich zu erwarten ist, was die Band präsentieren wird, wofür sie steht. Und der erste Hördurchlauf endet auch etwas müde und enttäuschend. Doch dann machen sich die Songs mit jedem Hören weiter auf, bis die urbane Tanz-, Sing- und Gemeinschaftsmusik mit ihrer vielseitigen und reichen Instrumentalarbeit einfach nur Vergnügen ist, zum Mitpfeifen und Fußwippen verführt und dabei alles andere als doofer Billigkram ist. Die Songs haben Schabernack und Witz, sind frisch wie von der Milchtankstelle, was die Band singt, im Chor und solo/duo, in dieser würzigen Schnelligkeit gespielt, macht die Tanzfläche voll und den Schädel frei. Fidel, Trompete, Harmonium, Piano, Banjo, natürlich, Stehbass, Posaune, Akkordeon, Rockinstrumentarium, und sicher, der historisch zeitlose Sound hat seine Rock-Qualitäten, Tuba, Cello und mehr, nicht erst die Filmindustrie hat Amerika ins Bewusstsein der ganzen Welt (minus Iran vielleicht?) importiert, exportiert, wohlgemeint, Geschichte und Gegenwart treffen sich hier zum Vergnügen und wer Lust hat, sich locker zu entspannen, der hat hier eine grandiose Basis. Mittelpracht gibt es allerorten zur Genüge. Schaut nur mal in eure Zeitung, was heute in eurem Städtle abgeht. Beat Circus sind viel besser und mehr als das. Oberpracht?
Back to the woods.

beatcircus.net
cuneiformrecords.com
VM



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