Brian Auger's Oblivion Express
"Live Oblivion - Recorded Live At The Whiskey, Hollywood"
"Voices Of Other Times"
(Castle Music 2006)

Der Backkatalog des Jazzrock- und Jazzfunk-Keyboarders Brian Auger ist weitgehend auf CD, remastert und um Bonustracks ergänzt, aufgelegt. Die diversen CDs aus allen Phasen, mit Julie Driscoll und The Trinity sowie Oblivion Express zeichnen den Werdegang des in den 60ern im ambitionierten und hochmodernen Jazzpop beginnenden, in den frühen 70ern zum heavy Jazzrock tendierenden, aber bald zum Jazzfunk und Jazzpop sich wandelnden, dabei stets vor dem Druck der Plattenfirmen fliehenden und nur eigene Intentionen verfolgenden Brian Auger exzellent nach.
Während die Alben mit The Trinity und die ersten Alben mit Oblivion Express für Jazzrock-Freaks Empfehlungen sind, zeigt sich das 1974 aufgezeichnete 120-minütige Konzert auf den beiden CDs "Live Oblivion" stark Jazz- und viel mehr noch Funk-betont. Die 12 überwiegend sehr langen Songs sind, erstaunlich radikal vor allem im Rhythmusbereich, virtuos und komplex gespielt worden. Brian Auger soliert und improvisiert überwiegend Jazz. Alex Ligertwood singt die Jazz-, Funk- und Soul-Gesangslinien hinreißend exzellent, in den 70ern war er einer der Besten in diesem Bereich. Die Gitarre gehört quasi zur Rhythmuscrew, die zudem aus Schlagzeug, Bass und Percussions besteht, und, wenn nicht wild im Jazzrock wildernd, tanzbare und groovige, dabei komplexe und jazztrunkene Rhythmusorgien abfeuert. Selbst die Songs, die auf den Studio-CDs noch eher heavy Jazzrock sind, mutieren in der Live-Interpretation zum ekstatischen Funk. In langen Improvisationen, die fast alle Songs über die Länge von 10 Minuten treiben, kracht es hin und wieder gewaltig, und improvisiert Brian Auger voll selbstvergessener Inbrunst disharmonisch, leidenschaftlich, wie ein Berserker. Doch ab und zu döst die Band in Balladen gelassen vor sich hin - und ein käsiges Gitarrensolo übernimmt für ein paar Minuten, bis das Keyboard wieder verschwitzten Jazz auskippt.
"Live Oblivion" zeigt überzeugend, warum Brian Auger von der Acid-Jazz-Szene als Urvater gefeiert wird. Tatsächlich sind vor allem die Songs "Inner City Blues" und "Straight Ahead", die meisten anderen nicht viel weniger, nichts anderes als purer Pre-Acid-Jazz.
Das zeigt sich besonders gut, wenn man gleich nach der 1974 eingespielten Liveplatte das 1999 aufgenommene, 76 Minuten lange "Voices Of Other Times" auflegt, das mit Bonustrack, einer 12-minütigen "Indian Rope Man" - Liveversion aus dem Jahr 2000, just erneut angeboten wird. Sicher sind die Songs weitaus mehr Funk-betont, ist der Gesang, ganz Zeitgeist, weicher und sanfter; weniger melodisch und straighter ist das komplette instrumentale Geschehen. Selbst der Rhythmus, und auf Groove läuft hier alles hinaus, ist, obschon ähnlich, deutlich schlichter. Brian Auger hingegen soliert immer noch jazzverliebt, wenn auch gemäßigter und sanfter.
Am Schlagzeug saß Brian Augers Sohn Karma D., Augers Tochter Savannah sang die Texte, Dan Lutz (b), Chris Clermont (g) und Long John Oliva (perc) ergänzten das Line-Up. Wenn die 1999er Songs wesentlich poppiger und eingängiger sind, als das über 30 Jahre alte Material, ist der Autor und Interpret in beiden Fällen doch jederzeit als der Gleiche gut zu erkennen. Der Werdegang zum Pop war damals bereits vorgegeben, und die Ankunft in der heutigen Zeit ist mit seinen Kindern überzeugend gelungen. Lediglich die neue Version von "Indian Rope Man" zeigt erschreckend, wie gemächlich und weichgespült der neue Sound im Vergleich zu den Sixties ist. Julie Driscoll (später Tippetts), soviel ist sicher, bleibt, was Stimme und Interpretation betrifft, schlicht unerreicht.

brianauger.com
VM



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