Apocalyptica "Shadowmaker" (17.04.2015, Harmageddon Records/OMN Label Services)


Das Cello-Wunder aus Finnland ist weit gekommen. Wenn auch Zeit für sanfte Melancholie und balladeske Elegie ist, so prescht Album Nr. 8 überwiegend doch geradlinig und kernig mit saftigem Rock, metallischer Attitüde und dem eleganten Hauch klassischer Handschrift durch 12 Songs, deren Überzahl die vokale Ergänzung mit sattem Popappeal bekommen hat. Sänger Franky Perez gibt den Cellisten Apocalyptica mit seiner Stimme und emotionalen Interpretation einen poppigen und eingängigen Charakter, wie es ihn braucht, dass die Songs runtergehen wie Öl und die ganze Familie verzückt vor dem Radio hockt.
War das wirklich 1993, als das Quartett begann, seine klassische Ausbildung gegen den drängenden kreativen Impuls einzutauschen, statt in klassischen Orchestern (was dann später doch wieder folgte) die ausgefallene Rockband zu geben und dabei, Oops!, die Welt im Sturm zu nehmen?
Heute sind die Cellisten Eicca Toppinen, Paavo Lötjönen und Perttu Kivilaakso (alles Künstlernamen, die heißen Müller Meier Schulze) und Schlagzeuger Mikko Sirén (sollte Sänger werden) natürlich keinen Tag älter als damals. Zumindest sehen sie so aus.
Und sie rocken noch genauso wie damals. Hier wild und krachig, dort strukturiert und komplex, dann wieder liedhaft und eingängig, schließlich smoothy sanft und auf Popdroge. Und immer wieder fällt ihnen etwas Neues ein, die Celli hochzufahren und heißzuspielen.
So viel weiß ich von populärer Musik nicht, aber der Track nach dem anderthalbminütigen Opener "Seed of Chaos" (dessen drei Teile in eben diese Zeitspanne passen) kommt mir seltsam popbekannt vor. Ist "Cold Blood" die deftige Interpretation eines aktuellen Popsongs, der nicht aus den Radiokanälen findet und hier seine cellistische Variante erfährt? Dank Franky Perez, der alle Schubladen kann und radikal brüllt wie ebenso verführerisch schmachtet (und alles dazwischen) wird dieser wie alle anderen Vokaltracks zu Cellopopmetal mit der besonderen Note.
Manches ist tanzbar und passt in den Zeitgeist, anderes, vor allem die bislang schon mal ausgedehnteren Instrumentalpassagen, wissen durch kompositorische oder improvisative Idee zu überzeugen. Macht schon Laune, dem flüssigen und dynamischen Reigen zu lauschen.

apocalyptica.com
VM



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