|
Antoine Fafard "Ad Perpetuum" (Unicorn Digital, 15.10.2014)
|
Im Jahr 2000 wühlte ein Album die Prog Jazz Fusion - Szene gewaltig auf: das Debüt der kanadischen Band Spaced Out um den fast unheimlich begabten Komponisten und Bassisten Antoine Fafard. Die radikal hochkomplexen Kompositionen, das technisch erlesene Handwerk, die besondere Lebendigkeit und Rasanz der Songs - die weiteren Alben bestätigten dies nicht nur, hoben Spaced Out auf einen immer neuen Level, kompositorisch, stilistisch, in der Raffinesse der Themen und der Energie der Band. "Evolution" war 2008 das letzte Album der Band, das fünfte Studioalbum. Ein Livealbum und eine DVD ergänzen das Œuvre Spaced Outs.
Antoine Fafard lebt jetzt in London, Großbritannien. Mittlerweile gibt es, nun mit "Ad Perpetuum" bereits drei CDs unter eigenem Namen, die den frühen Geist von Spaced Out bewahren und den Bassisten und Komponisten weiter entwickelt zeigen.
In den 10 Songs (49:52 Minuten) des neuen Albums geht es nicht mehr so ungemein extrem komplex her, indes noch komplex genug, die überwiegende Anzahl aller Prog-Jazz-Fusion-Bands an die Wand zu spielen. Das betrifft Virtuosität, Ideenreichtum, technisches Handwerk, intuitives Spiel, Arrangementvielfalt und Spielfreude.
Gemeinsam mit Vinnie Colaiuta (dr), der endlich einmal wieder beweisen darf, was in ihm steckt und Jerry De Villers Jr (g), zudem mit den partiell auftretenden Gastmusikern Gerry Etkins (keys), Gary Husband (im exzellenten Drumbattle "D-Day") und Jean-Pierre Zanella (saxes) spielte Antoine Fafard, der (fast) alle Songs komponierte, den Opener mit seinem Gitarristen schrieb, diese großartige, jazztriefende, komplett instrumentale Fusion-Orgie ein.
Im Booklet hat ein jedes Stück eine Seite Beschreibung, auf die unbedingt hingewiesen sei. Da sind Inspiration, Technisches und Soli angegeben, sowie wer welches Instrument gerade spielt.
Der Opener "Shuffle It!" beweist exquisiten Ideenreichtum. Ganz besonders macht sich die rhythmische Arbeit bemerkbar. Colaiuta und Fafard arbeiten enorm virtuos, sehr spannend und 'hart' mit einer reichen Fülle an Akzenten und ausgefallenen Läufen. Die Gitarrenarbeit hat überwiegend sphärischen Charakter, was den Songs einen lichten Charakter gibt, den Jazzton anspitzt, dafür allerdings den Härtegrad mindert. Wo Tasten zum Einsatz kommen, ergänzen sie die Gitarre entsprechend.
Zweiter Höhepunkt ist das verdammt schnelle "Poly Seven", das kompositorisch an Chick Corea zu Beginn der Siebziger erinnert. Es ist nicht die melodische Gitarrenarbeit, die mich besonders fasziniert, in deren Momenten es eher episch und lyrisch zugeht, sondern die rhythmischen Bruchlandschaften, die ein Feuertanz aus zackigen Blitzen sind. Wie schnell und radikal die Band agiert und reagiert - Hochachtung! "Five Course Meal" findet zu ähnlicher Aussage, nur übertroffen vom Höhepunkt der an extravaganter instrumentaler Arbeit vollen CD: "D-Day". Vinnie Colaiuta und Gary Husband arbeiten parallel an ihren Schlagzeugen, melodisch gehen Saxophon, Bass und Gitarre (partiell Synthesizer-Gitarre) das Thema an, während die eigentlichen Helden die Rhythmiker sind. Das ist nicht Chaostheorie, sondern höhere Mathematik. Ein an Spaced Out erinnerndes "The Egg" lässt düstere Gitarrenarbeit zu, wenn die basslastigen Riffs das Fundament prägen. Die Melodiearbeit ist ebenso lyrisch und sphärisch, wie in den anderen Songs. Und wie in allen Songs: diese extravagante Rhythmusarbeit!
Gut zu spüren, dass der Komponist und Chef des Unternehmens Bassist ist. Sein Interesse ist rhythmische Komplexität. Die melodische Arbeit als zweiter gewichtiger Anteil ist weitaus lyrischer und sanftmütiger als der dynamisch kantige Unterbau. Die Kompositionen sind weitaus jazzlastiger als auf den Alben zuvor, aller Rockanteil schraubt sich zurück. Die kompositorischen Ideen und umgesetzten Arrangements wachsen in lyrischem Gehalt und zeigen den nachdenklichen bis melancholischen Antoine Fafard. Ich hoffe, dass der Rockanteil nicht verlorengeht, die sphärische Jazzlyrik nähme dem Rhythmus die Dynamik, auf die er jetzt noch enorm setzt.
Tolles Album. Indes weniger für Jazz Prog Fusion- als vielmehr für Jazz Fusion-Maniacs, die komplexe Rhythmusarbeit als Basis für unabdingbar halten.
antoinefafard.com
VM
Zurück
|
|