Anti-Depressive Delivery "Feel. Melt. Release. Escape." (The Laser's Edge 2004)

Immer wieder gibt es ambitionierte Nachwuchsbands, die der guten alten progressiven Rockmusik der 1970er Jahre frönen. Anti-Depressive Delivery sind erstaunlich gut darin, die analoge Zeit wieder auferstehen zu lassen, und von großer Authentizität. Und wo sind die Jungs zu Hause? Natürlich in Skandinavien, genauer gesagt in Norwegen. Pete Beck (voc), Christian Broholt (g), Tom Welhaven Wahl (b), Terje Kråbøl (dr, perc) und Haakon-Marius Petterson (key, mel, synth, voc) haben die 9 Songs Januar und Februar 2004 eingespielt. Neben der Vorliebe zum Heavy Prog haben sie ein Faible für düsteren Heavy Metal. Und so mixen sie ihren Sound sehr originell und komplex zusammen. Da gibt es dramatische Düsternis, kraftvolle Heavypassagen mit rasanten Riffs und knüppelhartem Drumming, komplexe Kompositionen mit kniffligen Arrangements und dem Dauerzeigefinger auf 1971 und Bands wie Atomic Rooster, Black Sabbath, King Crimson, ELP, eben dem guten Stoff der alten Schule. Pete Beck hat die perfekt, raue, ausdruckstarke Stimme, die auch den Unterschied zum Heavy Metal klar macht. Hier wird gerockt, unter Verwendung metallischer Härte, nicht anders herum. Die Gitarren und rattenscharfen Keyboardexkursionen könnten glatt vor 30 Jahren eingespielt worden sein. Ein Unterschied zur damaligen Zeit liegt im klaren Soundbild, das mit seiner Qualität typisch für heutige Verhältnisse ist.
Am besten sind Anti-Depressive Delivery, wenn sie ihre Songs mit Melancholie und Epik ausstatten. "End Of Days", "Path Of Sorrow", "O" und vor allem das 15-minütige "Bones & Money" sind die besten Songs der Platte. Aber auch der Titelsong oder "Penny Is A Slut Machine" sind grandiose Heavy Progger. Eine Macke haben die Songs von Anti-Depressive Delivery aber fast durchweg: es fehlt der letzt Kick, der absolute Höhepunkt, das I-Tüpfelchen. Zwar rockt die Band sich die Finger wund und hat viele witzige, fabelhafte Einfälle, aber ein Quäntchen zum absoluten Killer fehlt stets, vielleicht mit Ausnahme des letzten Songs, der einfach genial ist.
Jeder kennt die großen Hammersongs der 1970er Jahre. "Father Of Day, Father Of Night" ist ein gutes Beispiel. Manfred Mann's Earth Band gaben diesem 10-Minüter einen eindrücklichen und unvergleichlichen Höhepunkt, der aus der Rockmusik nicht mehr wegzudenken ist. Der Song baut sich auf und explodiert an der richtigen Stelle mit der richtigen Energie. Ein eigentlich kurzer Plot, der aber die ganzen 10 Minuten adelt. Warum dieser Vergleich? Weil den Songs von Anti-Depressive Delivery eben dieser Plot fehlt. Alles Weitere ist in hinreißender Perfektion vorhanden.
Trotzdem, das Album rockt Hölle und ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass Musik kein Ende hat, weder überhaupt noch in speziellen, tendenziellen Nischen wie Progressive Rock. Unbedingt Empfehlung, "Feel. Melt. Release. Escape." reinigt die Ohren!

snotpope.com
VM



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