Amoral „Fallen Leaves & Dead Sparrows“ (G-Records / Rough Trade 2014)


„Walter, ist das eine neue CD von Waltari, die gerade läuft?“ „Nein, das sind fünf unmoralische Wikinger aus dem hohen Norden, die wie Kinner außerordentlich kreativ im Hin- und Herblenden zwischen den Genres der harten Rockmusik zu Werke gehen...“ Diesen Dialog zwischen Walter und Wal-Traud wollen wir an dieser Stelle unterbrechen und uns konkret den Klängen auf „Fallen Leaves & Dead Sparrows“ widmen. Tatsächlich nehmen Amoral die Stil-Box völlig ungeniert in die Hand und schütteln diese, wie man es von Bands wie Waltari („Yeah! Yeah! Die! Die!“) oder Tourniquet kennt, was das Zeug hält, bis allerlei buntes Notengeflecht daraus entfleucht. Darunter sind die Phoen-Nixen, die dabei in Pirouetten aus der Asche des brennenden Schwermetalls zum siebten Himmel emporsteigen, die imposantesten Erscheinungen. Der olle Kärtsy, dem der Gesang von Ari Koivunen (mit einem Schuss Klaus, wie ich meine) gleicht, wäre stolz auf seine Landsleute, wenn er diese Scheibe zu Gehör gebracht kriegte, das steht schon mal fest, denn Amoral sind im wahrsten Sinne des Wortes eine höchst progressive Band, bei der keine Scheibe wie andere klingt, doch dieses Album schlägt dem Fass den Boden aus - die Fassung sprudelt in hohem Bogen raus und Fassungslosigkeit macht sich bereits breit! Nach Death und Melodic Metal-Veröffentlichungen in der Vergangenheit verbraten die Finnen diesmal Einflüsse von Bands wie Black Sabbath, Dream Theater, Opeth, Pain Of Salvation, Evergrey, Devin Townsend, Norther, Nevermore, Spock's Beard und noch etlichen mehr – rate, rate... Dabei sind die Stücke, man glaubt es kaum, trotz oder gerade wegen der vielen Spannungsbögen sehr eingängig, was für Songwriting der gehobenen Güteklasse steht. Ich verneige mein Haupt vor diesen Herren, die ihre Instrumente, wie es scheint, im Schlaf beherrschen. Es sind dies neben der Fleisch gewordenen Ari-e: Ben Varon (Gitarren, Chorgesang), Juhana Karlsson (Schlagzeug), Masi Hukari (Gitarren, Keyboards) und Pekka Johansson (Bass). Kann es eine weitere Steigerung solcher Brillanz geben? Das werden wir bei der nächsten CD sicherlich sehen, wenn uns neben selbiger Sinneswahrnehmung auch das Hören vergehen wird.

amoralweb.com

Frank Bender




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