Amon Düül II "Phallus Dei" "Yeti" "Tanz der Lemminge" (Revisited Rec., VÖ: 26.05.2006)

Die drei Klassiker des psychedelischen Krautrock wurden gründlich geliebt und später ebenso gehasst. Nicht zuletzt an Hand dieser digital remasterten, mit Bonustracks ausgestatteten und edel aufgemachten Deluxe-Boxen ist nachzuvollziehen, warum zum Ende der 60er die Rockszene auch im biederen Deutschland explodierte und die Jugend verdarb, bis schließlich die international verdorbene Jugend auf das Phänomen Krautrock aufmerksam wurde und ein wilder Siegeszug ansetzte. Live waren Amon Düül II damals kaum zu ertragen. Die Musiker tobten sich vollgedröhnt an ihren Instrumenten aus, ohne wirklich extravagante Musik zu spielen. Auf ihren Platten ist das etwas anders. Im Studio haben die Jungs und ihre Henriette Krötenschwanz etwas Ernsthaftigkeit walten lassen und partiell nachvollziehbare Strukturen geschaffen, die zwar immer noch reichlich "schräg" und wüst sind, aber immerhin konkrete melodische Arbeit betreiben.
In den "Songs" steckt viel improvisatives Gefühl, die Band steigt immer wieder aus ihren melodischen Motiven aus und übt sich im extravaganten und abgefahrenen Musizieren; Elektronisches, harter Rock, seltsam undynamische Sounds, pseudo-orientalische Klänge, die damals bald groß angesagt waren, ein wilder Mix aus diesem allem und vielem mehr wurden zum Markenzeichen von Amon Düül II und artverwandter Bands.
Auf allen drei Alben sind ultralange Songs enthalten, die jedoch nicht aus einem Thema bestehen, sondern diverse Motive ineinander überlappen lassen. Phasenweise klingt so ein Stück heute noch avantgardistisch und eindrucksvoll, anderes ist in seiner seltsam abgehobenen Struktur kaum zu ertragen. Immer, wenn die Band melodisch konkreter wird und härtere Motive spielt, wird die Musik nachvollziehbarer. Doch immer wieder driften die Stücke in spacige und "berauschte" Atmosphäre ab. Es passiert ungemein viel in den Epen, die Motivwechsel geben sich die Klinke in die Hand, ohne, dass aus dem Resultat ein wirkliches Ganzes wird. Aber das haben die Fans akzeptiert und lieben es bis heute. Der Nachwuchs staunt sicher im Stillen über diese seltsamen Klänge, und findet die Alben cool und beeindruckend. Mit klarem Kopf, heute nicht so unbedingt eine Seltenheit, sind die schrägen, seltsam verrückten und großteils humorfreien und dennoch witzigen Epen von Amon Düül II immer noch interessant und nicht nur als historische Leistung zu akzeptieren. Der Strudel jedoch, in den sie damals rissen, ist vergangen.
Ein Großteil der Bands aus der Früh-70er Krautrockszene, vor allem die, denen kein großer Erfolg beschienen war, hat interessantere, wildere und komplexere Musik kreiert als Amon Düül II (etwa Nine Days Wonder oder Missus Beastly). Und dennoch haben gerade diese drei frühen Alben einen Reiz, der eigenartig umwoben bleibt. Nach bald 40 Jahren ist ein Reinhören in das Klima der Zeit möglich, erschließen kann man den Geist und die Atmosphäre der Szene damit jedoch nicht.

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VM




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