Alkaloid "The Malkuth Grimoire" (Eigenproduktion 2015)


Endlich ein legitimer Nachfolger von Cynics "Focus", der in der Tat sehr fokussiert mit progressiver Rockmusik im Stile von Opeth und Sieges Even (Hooklines und Gitarrenarbeit), Tool und Primus (Atmosphäre und Schlagzeugspiel), Sadist und Dimmu Borgir (Arrangements) Energien austauscht, ohne austauschbar zu wirken, wobei in verstärktem Maße Strukturen aus dem Jazz- und Klassik-Bereich Eingang in die alkalische Ursuppe finden. Damit stellt diese Veröffentlichung gewissermaßen die Potenzierung von Linear Spheres "Manvantara" dar. Die Jungs von Alkaloid agieren äußerst rührig und überlässen nichts zum Zufall. Glücklicherweise führt also kein Stanley Miller den unsäglichen Kochlöffel, um eine im Labor generierte Zufallssoße zu kreieren; allerdings werden auf solche Weise Menschen zum Schöpfer des Zufalls und bringen letzteren - gleichermaßen als Paradoxon - zu Fall, schon allein deshalb, weil in der Uratmosphäre von Gaia komplexere Moleküle wie Amino-, Fett- oder Carbonsäuren durch die UV-Strahlung von Helios sofort wieder zerstört worden wären. (Somit wird der Kochlöffel zum Schöpflöffel.) Sämtliche Zutaten von Alkaloid bleiben dank eines sowohl in wörtlicher als auch in metaphorischer Hinsicht stimmigen Mixes geschmacklich erhalten und machen "The Malkuth Grimoire" zum Ohrenschmaus für Feinschmecker. Doch diese CD erschöpft sich nicht in der Aneinanderreihung schöngeistiger Harmonien, sondern donnert gelegentlich extrem heftig und stellenweise sogar leicht kakophon durchs Gebälk, was für einen exemplarisch anmutenden Gegensatzbezug und damit für permanente Kurzweiligkeit sorgt. An diesem Album werden sich künftige Kunstmusik-Kultscheiben messen lassen müssen; Kunst-Musik bezeichnet für mich in diesem Kontext das Unterfangen, verschiedenste musikalische Einflüsse derart gekonnt miteinander zu verzwirbeln, dass im Sinne fraktaler Geometrie organische Formen bei deren Genuss entstehen. Vor meinem geistigen Auge entwickeln sich, obwohl ich kein Synästhetiker bin, beim Hören dieser Klänge innerhalb eines abgedunkelten Raumes (sensorische Deprivation als Katalysator) quasi aus dem Nullpunkt Wirbelströme, die sich toroidal aufbäumen, um wieder in ihren Ursprung zurückzukehren. Stetige Wiederholung des Torus-Motivs in unzähligen Variationen ist dabei ein modus operandi, der sich vornehmlich in der sogenannten klassischen Musik und im Jazz findet; man könnte in dieser Hinsicht von "serieller Aleatorik" als Klang gewordenes Oxymoron sprechen. Synonym könnte man im restringierten Code formuliert auch von Future Metal (oder Zukunftsmusik) sprechen. Gestandene Musiker und technische Koryphäen vom Schlage eines Florian Maier (vokale Schizophrenie und Gitarre), Danny Tunker und Christian Münzner (Gitarre), Linus Klausenitzer (Bass) sowie Hannes Grossmann (Schlagwerk) komponieren die tonale prima materia für eine höherdimensionale Musik des sich bereits abzeichnenden neuen Äeons, die ihresgleichen sucht, aber noch nicht allzu oft findet, weil sie bislang ziemlich einzigartig ist; in der intergalaktischen Solefald-Liga gibt es langsam Zuwachs. Auch im Bandnamen, im Titel des Debüts sowie in den Texten der Stücke spiegelt sich sehr spezielles Gedankengut. So sind Alkaloide "alkaliähnliche" Stoffe, die in Pflanzen, Pilzen und Tieren vorkommen und früher vornehmlich durch Veraschung isoliert wurden, womit sich die Metapher des Phönix aus der Asche ins Spiel bringen lässt. (Die Giftwirkung vieler Alkaloide relativiert sich durch folgendes Zitat von Paracelsus: " Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei." Neben der Menge kommt es außerdem immer auf die Perspektive an; für wen oder was und unter welchen Umständen ist ein Stoff ein Gift bzw. möchten gewisse(nlose) Geister die Menschheit gar von bewusstseinserweiternden Stoffen mittels gezielter Angstmache fernhalten, wie manche Experten aus Ethno-Botanik und Bio-Physik vermuten.) Das neue Zeitalter entsteht aus der Asche bzw. dem Niedergang des gegenwärtigen, das sich, gesteuert durch diabolische Kräfte, in beschleunigtem Zerfall befindet. (Zerfallsreihen erzeugen bekanntlich Strahlung!) Letztlich dienen diese Kräfte trotz aller "Geburtswehen", die sie mit sich bringen, als Katalysator für das neue Äeon; aus geschürter Angst und dadurch provoziertem Hass wird ein Meer aus Licht (= Symbol des Dualismus Welle/Teilchen und daraus resultierend auch die Überwindung der Dualität durch die Trinität des sowohl - als auch) entstehen, das im Bilde gesprochen alles erhellen wird; eine Erhöhung diverser Frequenzen ist für wissenschaftsgläubige Menschen seit geraumer Zeit sogar messbar. Malkuth ist eine Sephira des Baumes des Lebens, der in der Tradition der Kabbala als Etz Chaijm bezeichnet wird und Entsprechungen in vielen Kulturen findet. Bei den Germanen heißt er Yggdrasil bzw. Irminsul, bei den Sumerern heiliger Baum von Eridu, bei den Griechen Baum der Hesperiden, bei den Indern Asvattha-Baum, im Islam Tuba und bei den Maya Wacah Chan bzw. Yax Cheel Cab. Sogar in diversen "grimmigen" Märchen kommt der Baum des Lebens vor. Malkuth besitzt als Intelligenz der Erde im vertikalen Weltbild äußerst interessante Entsprechungen, vor allem im Mineral-Reich (Bergkristall) sowie im Pflanzen-Reich (Granatapfel). Das Wort Grimoire bezeichnet eine Systematik zur Kombination magischer Symbole; solche Praktiken sind nicht nur in mehrfacher Weise äußerst bedenklich, sondern spätestens dann obsolet, wenn sich die Menschheit wieder auf ihr gigantisches Bewusstseins-Potential ("Ihr seid Götter.") besinnt und in einer phylogenetischen unio mystica mit dem kosmischen Bewusstseinsfeld verschmilzt. Wann werden wir den Mut haben, uns unseres eigenen Bewusstseins in vollem Umfang zu bedienen? Die Alkaloid-Boliden haben jedenfalls mit diesem Album großen Mut bewiesen, der sicherlich im Rennen um die Kohle mit hohen Verkaufszahlen belohnt werden wird, denn solche Songs brennen sich tief in die Metal-DNA ein.

alkaloid-band.com
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Frank Bender




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