Karmakanic & Agents of Mercy "The Power of Two - Live USA" (Reingold Records, VÖ: 15.02.2010)

Roine Stolt und Jonas Reingold fanden die Tour sehr entspannend, es hatte unsagbar Freude bereitet, nach einer kleinen Warm-Up-Tour mit der Show durch die USA zu ziehen. Das Repertoire zweiter Bands in einer Besetzung - gerade mit dieser Produktion wird deutlich, wie locker die Projekte funktionieren, und was die Musiker drauf haben, sich mit anderen Repertoires als ihren eigenen auf Tournee zu begeben. Agents of Mercy ist ein Seitenarm der Flower Kings, poppiger, lyrischer, sanfter als die schwedischen Schöngeistkönige, eine Verneigung vor den alten Genesis, Karmakanic ist eher auch keine feste Band, sondern ein loses Konglomerat technisch erlesener Musiker um den Bassmann Jonas Reingold, der auf seinem neuen Label die Kooperation in Personalunion veröffentlicht.
Das auf der CD enthaltene Programm, 8 Songs und 70 Minuten lang, wurde während der ersten Show am 10. Oktober 2009 in Whittier, Kalifornien, gespielt und aufgezeichnet.
Frisch in die Songs eingelernt, just 6 Stunden Übung vorher waren ausreichend, sitzt am Schlagzeug der alte Spocks Beard Recke Nick D'Virgilio. Lalle Larsson hat die Tasten unter seinen Fingern, Jonas Reingold spielt Bass und sorgt mit Roine Stolt, der Gitarre und Keys spielt, für die Erfüllung der Backing Vocals, Göran Edman singt Karmakanic, Nad Sylvan Agents of Mercy, letzterer spielt zudem Tasten.
Die ersten drei Stücke sind Agents of Mercy Songs. 25 melancholische Minuten voll zarten Symphonic Rocks, sehr elegisch und laid back, fast akustisch, kaum Rock'n'Roll. Den Arrangements stecken alte Genesis in den Knochen, und Nad Sylvan tut sein Übriges, das Flair der alten britischen Crew neu zu beleben, mit entsprechend passender Stimme und gutem Einsatz.
Dann kommen die Jazzrocker von Karmakanic. Kaum geht es los, verabschiedet die Band sich instrumental aus den Studioversionen in saftig-progressiven Jazzrock, die Komplexe perlen elegant und erlesen, und mit YES im Hinterkopf baut sich das fast 15 Minuten lange "Where Earth Meets The Sky" aus der eröffnenden Instrumentalrasanz in die lyrisch-schöngeistige Gesangsabteilung, die deutlich sanfter und eingängiger ist, als alles, was in den ausgedehnten Instrumentalpassagen (beider Bands) gespielt wird.
Roine Stolt hält sich weitgehend zurück, es gibt kaum Gitarrensoli, die sonstige leicht metallische Härte der Karmakanic-Songs ist weitgehend abgeschraubt, die Tasten haben das Sagen und Lalle Larsson zieht es mit Sucht und Hingabe zum ausgedehnten, genau, Jazzrock.
Die Stimmung im Auditorium ist ausgelassen, die Menge jubelt schon, bevor die Songs angesagt sind, fast ein Joke, das zwischen den Songs zu hören. Lalle Larsson hat Raum für eine Solopartie, die irgendwo zwischen dunklem Folk, klassischer Romantik und lyrischem Jazz ihre Perlen kugeln lässt. Und selbst wenn die Band danach (wie davor) nicht rasante Härtegrade ausfährt, macht das Lauschen auf die Klänge des Konzertes doch Laune, weil die Band es einfach drauf hat. Und sicherlich, schließlich gibt es noch ein fabelhaftes Gitarrensolo von Roine Stolt.
Karmakanic sind die Überraschung des Sets. So war die Band bislang nicht zu hören. Personell und arrangementtechnisch. Die Songstrukturen sind deutlich dezenter und im instrumentalen Bereich wesentlich jazziger. Symphonische Elegien wälzen sich romantisch aus (bestens im 10-minütigen "Eternally"), dass das Schmalz in der Pfanne schmilzt, und Rock'n'Roll gibt's auch genug. Zum Ausklang schmeißt die Band das Auditorium mit "Afterglow" raus. Und der Song passt zwischen Agents of Mercy und Karmakanic wie der Schneeschieber unter die 40 Zentimeter Neuschnee in der Auffahrt. Live sind die Schweden eine Überraschung mehr.

reingoldmusic.com
VM



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