1982 "Pintura" (Hubro, VÖ: 02.12.2011)

Wie war das gleich: ‚Die Welt ist nicht genug'? Hier muss es entsprechend heißen: die "normalen" Pfade sind nicht genug. 1982 sind sich des dunklen Folk-Erbes ihrer norwegischen Heimat nicht nur bewusst, sondern treiben die Essenz in ästhetische Avantgarde, indem sie Saft und Fleisch entziehen und spröde, rissige, graue, schleierhafte Songs spielen, die einerseits mit ihrer Einzigartigkeit spielen und sich ihres eindrucksvollen Gehaltes kokett bewusst sind, andererseits aber enorme Tiefe und Lyrik verraten, die "echtes" Musizieren bedeutet.
Nils Økland spielt Hardanger Fiddle und Violine, Sigbjørn Apeland Harmonium und Wurlitzer, Øyvind Skarbø Schlagzeug. Die drei sind gewiss im der Welt entrücktesten Kirchenchor aufgewachsen, verstehen Folklore, Jazz und Avantgarde, lieben ambiente Klänge (gewiss ebenfalls Extrem-Metal, was indes nicht im Ansatz auch nur andeutungsweise zu hören ist) und den Eindruck, den ihre Heimat und die gewachsene Folklore so der Welt als Einzigartigkeit anbieten.
Der avantgardistisch urbane Ambient-Folk nutzt Tradition als Basis für atonale Stilbrüche, ist dunkel wie der skandinavische Winter und ebenso kalt, monoton wie eisiger Nebel über felsiger Waldlandschaft, und zudem zarter, wuseliger Folk-Jazz, der nicht nur krass schräg funktioniert, sondern charmant, naiv und durchtrieben zugleich ist. Die Jungs wissen, der Welt gefallen zu können. Und haben es drauf, das ganz versteckt ins schräge Musikpaket einzuwickeln. Wer "normal" eingängiger Musik zugeneigt ist und in der Wildnis abseits eingeschliffener Pfade keine Orientierung findet, mag ein paar der kurzen Tracks ganz nachvollziehbar und warmherzig finden. Doch sobald die über 10 Minuten lange Düsterepik des dritten Tracks (der wie die übrigen namenlos ist) sich aufmacht, wird der unbefangene Zuhörer glauben, böse Geister haben die Friedhofskapelle eingenommen, das Harmonium vergewaltigt und geisteskranke Liedideen zu Ton gebracht.
Wer gewohnt ist, abseits der bunten Medienpfade zu hören und entdecken, darf sich auf ein spannendes, indes ein wenig selbstverliebtes Stück herrlicher Landschaftsmusik freuen, das den Hörsinn schärft und das eigene Selbstverständnis als freier Hörer feiert.

hubromusic.com
VM



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