Zlye Kukly "Schujoi Nebesni Gorod" (Mals 2007)

Das russische Mals-Label entwickelt sich langsam zu einer langen Schnur, die sich Stück für Stück Perlen auffädelt. Darunter auch dieses Album, dessen Titel ich mit meinem Rest-Kyrillisch Buchstabe für Buchstabe erkämpft habe. Fast jedes Wort auf Cover und Booklet dieser Produktion ist kyrillisch geschrieben, wenige lateinische Buchstaben und einige hebräische Texte sind abgedruckt.
Zlye Kukly, was wohl soviel wie 'Böse Puppen' bedeutet, ist eine Band von in Israel lebenden Russen. Ihre Musik ist kaum in herkömmliche Schubladen einzusortieren, Folk und Rock finden in einer grandiosen Eigenwilligkeit und Extravaganz aufeinander, dass die Band, verschämt oder stolz, nicht weggepackt werden muss.
Spuren von Mittelalter-Folk, symphonischer Rockmusik und russischem Liedgut treffen aufeinander. Die Düsternis der Songs gibt dem Ganzen eine gewisse Ernsthaftigkeit, was gleichzeitig stark in Frage gestellt wird. Im sechsten Stück tritt der französischsprachige Chansonnier George Moustaki als Inspiration auf, erstaunlich, wie nah die Komposition, der Gesang, selbst der Refrain einem (mir [natürlich!] entfallenen) Moustaki-Stück sind!
Die russische, von Poesie durchdrungene Seele erzählt auf dieser wohl dritten CD der Band, die Songs aus den Jahren 2002 bis 2005 sammelt, morbide Bar- und Kleinkunstmusik mit herrlichem Charme. Teilweise klingt die Band, als karikiere sie Gothic Prog.
Die vielschichtigen, eingängigen Harmonien und liedhaften Songstrukturen samt grandiosen Gesangsstimmen auf hinreißenden Linien lässt den kyrillischen (und hebräischen) Gesang nachdenklich, melancholisch und selbstverloren über die melodische Struktur klettern.
Schlagzeug, Keyboards und elektrische Gitarren sind eher Untermalung als abstrakt betont, was den Eindruck verstärkt, die Band habe neben ihrer genialen Kunst, Morbidität auszudrücken, einen humoristischen Hang zur lichten Filmmusik.
Wenn auch diverse Stilistiken sich bei Zlye Kukly die Klinke in die Hand geben und miteinander befruchtend verkehren, so ist wohl Folk die Überschrift.
Schwelgerisches Seemannsgarn, staubiger Club-Jazz, naives Kinderlied, dunkle Morbidität wie bei Devil Doll, eine verquere Idee von düsterer Computerspielmusik, vereint in subtilem Humor, stolpert und stößt sich wie eine vergammelte Völkerwanderung dahin. Gewiss ist nicht alles witzig gemeint, was die Kapelle zum Besten gibt, doch was daran witzig ist, gibt dem Rest den Verdacht desselben Geistes.
Bestes Beispiel ist der unaussprechliche Track Nr. 8, der eine schlafwandelnde Zirkuskapelle imitiert, die Clowns an den Trompeten, jeder Schritt nur Millimeter an Mausefallen und Löwenmäulern vorbei und doch ist die Szene schier todtraurig. Ausgezeichnete Stimmung, grandiose Musik!
Die Ungewöhnlichkeit der Instrumentation, die Eigenwilligkeit der Arrangements benötigen einige Hördurchgänge, auf dass die Songs sich in ihrem ganzen Charme entfalten. Dazu kann ich nur unbedingt einladen. Wenn ihr an das Album kommt, hört es euch intensiv und immer wieder an. Wird mit jedem Mal besser und besser, schließlich auch die eigene Stimmung, die wie verzaubert durch den Alltag watet. Und was kann besser sein?

zlyekukly.buchatskyy.com
mals.ru
VM




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