Zauss "Diafonia Leitmotiv Waves" (Fazzul Music 2014)


Francesco Zago (e-g, loops) und Markus Stauss (ts) präsentieren ihre vierte Zusammenarbeit unter dem Namen Zauss in ausführlichen 68:44 Minuten. Gleich zu Beginn, im einleitenden "Introitus" ist die Spannung zu spüren, die alle 11 Stücke auszeichnet. Francesco Zago hält sich kein Stück zurück und lässt die Gitarre bereits im Auftakt aggressiv dunkel auftreten, während Markus Stauss sphärisch langgezogene Töne lyrisch beiträgt.
Einflüsse mag es viele geben, die beide Beteiligte antreiben, doch was sie gemeinsam daraus machen, entfernt sich weit von allem was in Jazz und Rock stattfindet. Die freien Improvisationen, die Francesco Zago hin und wieder als Schüler frippscher Spielweise der frühen Tage erkennen lassen, (während Markus Stauss keine Anlehnung an die Spielweise anderer Musiker vorzieht und seine eigene 'Handschrift' ausschweifen lässt), sind Klang der Instrumente die eine Seite, die andere, intensivere ist die freie Improvisation selbst.
Und wie das Duo sich instrumental umgarnt, so tief in balladeske Szenen taucht, das die Atonalität sehr tonal zu fassen ist, in ambienter Lyrik krass ausgefallene Themen entwickelt, in denen Harmonie und Melodie keine Eckpunkte sind, sondern viel eher intuitive Klangmuster, die sich aus dem Zusammenspiel beider ergeben - die können sehr schräg, sehr laut, sehr harsch sein, üppig kratzen und laut donnern, aber genauso zart und lyrisch streicheln - und so fesselnd und kraftvoll ist das neue Album.
Gut zu hören, dass die Zusammenarbeit der beiden Musiker schon einige Tage auf dem Buckel hat. Zwar mag der (romantisierende) Zuhörer sich vorstellen, wie das Duo, um diese Klänge erzeugen zu können, in dunkler Konzertatmosphäre arbeitet, um diese Resultate zu erzielen, werden beide doch im weiß gekalkten Studio wie auf der sonnigen Terrasse diese Arrangements finden. Kurz gesagt: das passt. Hier geht der eine vor, entwickelt die melodischere Struktur, während der andere experimentelle Sounds bastelt, dann finden beide parallel verrückt abgefahrene Sounds, die aus dem Zusammenspiel so besonders und lebhaft sind, so dämmern sie in einem anderen Track wie zufällig nebeneinander her.
Markus Stauss ist der wohl emotionalere Part, er kann sein Instrument zum Fliegen bringen, jagt über die Tasten, soliert erhaben und versiert. Francesco Zago, der nicht von ungefähr auf dem Innencover ein T-Shirt von Led Zeppelin trägt und bekennender Rockmusik-Fan ist, hat noch in keinem Song zuvor so heftige und fette Riffs beigetragen. So gut das Duo miteinander spielt, so gut hat es sich kennen gelernt und kann sich miteinander befreien. Keiner hält sich zurück, es kracht gewaltig - bis ein anderes Thema, eine andere innere Stimme zu schräger Disharmonie, experimenteller Spielweise oder balladesker Lyrik auffordert.
Trotz der harschen Klangsprache und den manchmal gar und ganz nicht eingängigen Motiven, der schrägen Stille und dem schneidend scharfen Krach ist "Diafonia Leitmotiv Waves" ein sehr eindrückliches und für Avant Freaks gar nicht so schwer verdauliches Album, das hier kurzweilig unterhält und dort kräftig an den Nervenenden bohrt. Langeweile findet andernorts statt.

fazzulmusic.ch
VM



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