YOLK "IV" (Fazzul Music 2003)

Pressetexte sind im allgemeinen nur ein paar Informationen wert. Doch bei YOLK war schon immer alles anders, der reichliche Humor der Band hört auch im Pressetext nicht auf, darum hier ein umfangreiches Zitat:
"Bevor a) die Welt untergehen sollte und b) die Musikwerkstatt abgerissen werden würde, entschlossen sich die YOLKs im Februar 1999 nochmals dort hinzugehen, um zu recorden. Wie sich herausstellen sollte, wurden das die letzten Aufnahmen mit dem legendären "Octopus" Line-up, denn kurz darauf verließen Gitarrist Willi Riechsteiner und ewig-Gast Stefan Hugi (saxes) die YOLKs. Besonders glücklich waren wir, dass die "Micro Piezas" des Gitarren-Komponisten Leo Brouwer endlich befriedigend festgehalten wurden, welche wir schon lange im Repertoire hatten. Irgendwo existiert noch eine ältere, prä-Octopus-Aufnahme. Ein paar Popsongs, die ersten Stick-Aufnahmen von Beat Burkhard und einige seltsame Sounds gesellten sich dazu.

So vergingen die Jahre, die Welt ging doch nicht unter, und ohne Geld und neue Besetzung kümmerten wir uns schon gar nicht mehr um jene Aufnahmen, die für immer im Keller zu verschimmeln drohten, bis ein wahnsinniger Italiener (Raoul Caprio vom Kaliphonia Label) auf die Idee kam, diese Songs doch noch zu veröffentlichen, denn in Italien verkaufte sich die Octopus-CD wie warme Gelati. Und jetzt, mit Hilfe des Markus Stauss von Fazzul Music, ist diese CD vier Jahre später doch noch erschienen. Da wir sowieso nie trendy werden, ist das legal."

Viele Informationen nett zusammengefasst. Neben Beat Burkhard (b, stick) und Willi Riechsteiner (g) gehört Rémy Sträuli (dr, key,voc) zu YOLK. Das Trio plus (bisher) Ewig-Gast Stefan Hugi ist dafür bekannt, ungewöhnliche, heftige Musik zu spielen. Die Resultate waren immer von hoher Qualität, stilistisch aber eher unterschiedlich und für einfache Prog-Mägen mitunter unverdaulich. Spezialisten hingegen waren den Schweizern sehr zugetan und genossen die seltsamen Songs wie Andere teuren Wein. Die Hoffnung, dass YOLK noch einmal veröffentlichen würden, war längst vergangen, und da erscheint nun doch noch ein vollgepacktes Album, und was für eins! Nicht nur, dass die CD mit 22 Stücken randvoll ist, sämtliche guten Attribute haben sich zum vierten Longtracker vererbt. Doch längst ist nicht alles, wie es war.
YOLK sind leiser geworden, harmonischer, melodischer, liedhafter - und doch nicht weniger aufregend und wahnsinnig! Leo Brouwer war mir nur von einer LP bekannt, auf der er Beatles-Songs klassisch interpretiert. Seine eigenen Kompositionen, so unbekannt sie in der breiten Masse sein mögen, sind hervorragend. YOLK spielen von Brouwer neben den oben genannten "Micro Piezas" auch das "Musica Incidental Campesina", ein kammermusikalisch anmutendes, stilles und doch brodelndes Stück Musik spannend und mitreißend. Die "Micro Piezas" wiederum spalteten YOLK auf, indem sie zwischen die 4 Teile 3 kurze Zwischenspiele mixten, die netterweise "Zwispi" heißen. Diese Zwispi´s passen hervorragend in den musikalischen Zusammenhang, als wären sie ursprünglich von Brouwer komponiert. Sehr gut gemacht. Für die "normalen" Prog Heads sei gesagt, dass auf dem IV. YOLK-Werk keine Avantgarde vorherrscht und es keinen Grund gibt, diese fabelhaften Songs zu scheuen. Auch in den eigenen Songs sind YOLK weniger radikal. (Komischer Weise verlangen die heutigen Prog Heads Verdaulichkeit, das allgemeine Niveau tendiert dahin.) YOLK gehen weniger radikal dagegen an, wenn sie auch "echten" (was schreibe ich hier nur für Unfug!) Progressive Rock machen, der Grenzen nicht scheut und aus Standardvorstellungen ausbricht, um sebständige, freie, lebendige Musik zu kreieren.
Wie gesagt sind YOLK auf ihrem 4. Werk weniger radikal als auf den Vorgängern. Das heißt natürlich nicht, dass die Eigenart des Trios verblichen ist, gerade solche humorvollen, geradezu urkomischen Teile wie "Bio und der Erdbeer", "Gräbbs", "Gluck glotzt", "Pietro Pazzo" (mit köstlicher "Area-Werdung" des Themas) oder "Baltimore und die Kürbisschmuggelaffäre" sind sehr nett anzuhören (und hier ist alles möglich!). Vor allem "Gluck glotzt" kommt den Interessen der Hörerschaft entgegen, wenn es sich... nein, hört selbst, ist ´ne echte Überraschung! Für die hoffentlich potent(iell)en Radioanstalten, die auf YOLK warten, sind von diesem Song wie von "Gräbbs" gleich Radio Edits auf dem Silberling. Riechsteiner, Burkhard und Sträuli sind humorvolle und phantasiereiche Komponisten, denen diese urkomischen Songs genauso gelungen sind, wie die eher ernsten Songs, deren es auch einige (ja, ja) gibt. Schön, dass diese CD endlich existent ist. Hoffentlich finden YOLK Ersatz für Willi Riechsteiner oder selbiger kehrt voll Ideen (oder Rum) zu YOLK zurück. Möge die Inspiration für YOLK nie enden! Absolute Empfehlung! Nicht zuletzt: Pietro, ich will auch alles über Prog wissen, bitte melde Dich!

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