Wobbler "Hinterland" (The Laser's Edge, VÖ: 20.09.2005)

Der Pressetext überschlägt sich mal wieder. Wenn man dem Blättle glauben kann, haben wir es hier mit der ultimativen Prog CD zu tun. Die "Mirage" Ära von Camel, die "Starless & Bible Black" Ära von King Crimson und die "Octopus" Ära von Gentle Giant werden als Vergleich bemüht. Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen, nicht wahr?!?
2004 spielten Wobbler auf dem Freakshow Artrock Festival in Würzburg. Ich war da, aber hatte ich etwas von Gentle Giant vernommen?
Dennoch, die Musik der Norweger ist kein Einerlei. Die Wikinger spielen mit dem typischen skandinavischen Image und wissen ihren Songs ein winderdichtes und lyrisches Symphonic Kleid zu verpassen, alles klingt, als sei es 1972 eingespielt worden. Das betrifft die Volldröhnung an Keyboardarsenal, die Flöte, das (lustiger Weise auch soundtechnische) historische Rhythmusgefüge, die deutlich unterpräsente Gitarre, den schweren Bass.
Wobbler mixen Folk und Prog, wie es nur Skandinavier tun. Jede Menge Mellotron wälzt sich über die Ohren; Wurlitzer ist zu hören, Moog und Hammond, da hat einer richtig Geld für Equipment ausgegeben. Die Auflistung der megavielen Tasteninstrumente im Booklet ist ja vielleicht etwas lächerlich, aber egal, Hauptsache, Lars Fredrik Frøislie, der auch bei White Willow hinter den Keys steht, weiß sein Ensemble zu nutzen.
Weiterhin gehören Martin Nordrum Kneppen (dr, perc), Kristian Karl Hultgren (b, sax), Morten Andreas Eriksen (g) und Tony Johannessen (lead voc) zu Wobbler, einige Gäste wurden bei der Einspielung der gerade einmal 4 Songs der CD aktiv. Den Auftakt macht das 40-sekündige "Serenade For 1652", wahrscheinlich eine zarte Ode an die Vorväter, die mit ihren Booten die weite Welt bereisten, immer auf der Suche nach Odin.
Gleich im Anschluss gibt es das knapp 28-minütige Titelstück "Hinterland", das man gut als großen Raum verstehen kann, von dem jede Menge Türen abgehen. Die Band öffnet hin und wieder ein Türchen und begibt sich in die Prog Historie, wo sie mal Gentle Giant (tatsächlich!) (toller Chorgesang) feiert, und so mancher klassischen Prog Band die Show stiehlt, indem sie sich bei deren ganz eigenem typischem Sound bedient. Das Klauen machen Wobbler jedoch ganz fabelhaft, so dass der ewig lange Song trotz der Hinundhergerissenheit zwischen den geliebten Vorbildern angenehm unterhält. Die Tastenarbeit kuschelt warm ein, Flöten und akustische Gitarren und schließlich immer wieder dickes, fettes und sphärisches Mellotron entführen in wohlige Prog Träume. Ist echt ein Ding, was die hier nach und nach "interpretieren". Wobbler klauen nicht wirklich, zeigen aber, dass sie sich intensiv mit ihren Vorbildern auseinandergesetzt haben, um genau den gewünschten Sound nachzuempfinden.
Die beiden Songs "Rubato Industry" (knapp 13 Minuten) und "Clair Obscur" (15 Minuten) gefallen mit besser als "Hinterland". "Rubato Industry" tritt das komplexe Erbe von Änglagård an und beschränkt sich auf skandinavische Qualitäten, während "Clair Obscur" über die ganze Länge mit gehaucht zarter Natur überzeugt und auch schon mal deftig "änglagårdisiert". Toll gemacht!
Sicherlich sind Wobbler nicht authentisch, welche Band dieser Variante symphonischer Rockmusik ist das schon. Die Jungs werden sicherlich zu eigener Identität finden, mit nachfolgenden Projekten, so es hoffentlich welche geben wird. Aber das Debüt ist trotz aller Orientierung auf andere Bands ein tolles Album, zu dem ich ein paar dicke Socken und Glühwein empfehle.

lasercd.com
VM



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