Edgar & Johnny Winter "Together" (Sony 1976, BGO 2007)

Am 28. Dezember 1975 war im Swing Auditorium in San Diego, Kalifornien, USA, die Hölle los. Ein nach dem Entzug von Drogenekstasen psychisch noch fragiler Johnny Winter (g, voc) stand mit seinem Bruder Edgar (sax, voc), Rick Derringer (g, back-voc), Floyd Radford (g), Randy Jo Hobbs (b), Dan Hartman (p, back-voc), Richard Hughes (dr) und Chuck Ruff (dr) auf der Bühne und sie alle gaben, so klingt es, das Konzert ihres Lebens. 37 Minuten dieses legendären Auftrittes sind konserviert worden. 1976 auf LP veröffentlicht, wird nun, digital remastert, das CD-Release nachgeschoben.
Die Winters spielen Standards, keine großen Werke, keine exzentrischen Bluesepen. Ein Rückzugspunkt für Johnny, der zur Sicherheit eine große Backingband hatte, in der er aufgehen konnte. Doch von schlechter Verfassung nicht die Spur. Ganz im Gegenteil. Die Band gibt diesen traditionellen Blues-, Folk-, Soul-, Funk- und Rocksongs eine wahnsinnige Dynamik, eine überbordende Lebendigkeit, die diese viel zitierten und viel gespielten Stücke selten haben.
Nicht allein, dass die Band auf der Bühne ungemein flüssig und süffig spielte, die Songs rasen nur so durch ihre kurzen Minuten. Die Sänger schreien "I'm a soul man" oder "Mercy, Mercy", dass man meint, die Stimmbänder würden Schaden nehmen. Gleich drei oder mehr Sänger heben zu diesen besoffen aufgedrehten Refrains an, Johnny raue Stimme immer mittendrin und stets wohl zu erkennen. Ebenso die seines Bruders, die weichere, souligere Stimme.
Doch das ist längst nicht alles. Johnnys Gitarrensoli, jeder kurze Song und das über 10-minütige "Baby, Watcha Want Me To Do" haben zumindest eines, sind wie die Kettensäge aus 'Texas Chainsaw Massacre' im Gartenzwergvorgarten. Die gefühlte groovige Wolllust des Konzertes gewinnt noch einmal zusätzlich 100% Energie und Lebenslust mit diesen kurzen und längeren Soli. Plötzlich scheinen die Bläser schärfer zu fräsen, die Schlagzeuge dynamischer zu rocken, die Gruppendynamik wie die rutschige plastine Oberfläche eines längst bewachsenen Gartenteiches. Es gibt kein Halten. Der Film 'Das Parfüm' kann in seiner virtuosen Massensexszene nicht intensiver wirken. Wie hat das Publikum das ausgehalten? Sie haben ihren Johnny Winter endlich wieder in Aktion da oben auf der Bühne gesehen, mit seiner Gitarre, seiner Stimme - und einer Mordsstimmung. Die traditionellen Hits sind hier Feuerwerk und Virus in einem. Das ist Rockmusik vom Feinsten, Lebhaftesten, Intensivsten. Gäbe es dieses Konzert nur auf Video! Und das Konzert in Gänze!

VM



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