|
Edgar Winter "Entrance/Edgar Winter's White Trash" (Epic 1970/71, BGO 2005)
|
Beat Goes On Records legt die beiden ersten Veröffentlichungen von Edgar Winter wieder auf. Zusammen als 2CD Edition sind die beiden extrem unterschiedlichen Alben ein wirklich nettes Paket, das Rockfans sich unbedingt merken sollten.
Edgar Winter, der kleine Bruder von Johnny Winter, dem Bluesgitarristen, der wie kein zweiter wilde Soli spielen konnte, und daraus harten Rocker machte, in dem er Melodielinien bereits zu Beginn der Songs mit improvisativen Details überschüttete, der Mann ist Blues - Edgar Winter, der kleine Bruder dieses Meisters, war ein ebensolch begabter Musiker, der stilistisch längst nicht wie sein Bruder festgelegt war und sich in verschiedenen Metiers probierte. So ist sein Debüt "Entrance" jazziger Progressive Rock, "White Trash" ist wie das folgende 2LP Livewerk "Roadwork" wilder, unzähmbarer Heavy Soul, später wechselte Edgar in den Heavyrock und komponierte seinen Hit. "Frankenstein" ist heute wohl auf tausenden Rock-Compilations zu hören. Tolles Teil, doch darauf kann man Edgar längst nicht beschränken.
Edgar ist ein klassisch ausgebildeter Pianist, spielt Saxophon, Orgel, Schlagzeug, Bass, Vibraphon und Gitarre, singt, komponiert und arrangiert. Bevor die beiden als Künstler in die Welt der Plattenindustrie einstiegen, hatten sie in etlichen Gruppierungen rund um ihre Heimat Konzerte gegeben. Mal traten sie als Johnny & The Jammers, als It And Them, The Twilights, dann als The Crystaliers oder Black Plague auf. Edgar trat nebenher in einer Jazzband auf. Erfahrungen sammelten die Jungs zur Genüge. Beide waren sie als Albinos Antitypen, die sich eher mit den schwarzen Musikern identifizierten, als mit den Weißen, die sie wegen ihrer Hellhäutigkeit und weißen Haare nicht leiden konnten.
Die meisten Songs für sein Debüt "Entrance" hat er mit seinem großen Bruder Johnny geschrieben, der ihm auch bei der Einspielung half.
"Entrance" besteht aus zwei Teilen. Auf der 1. LP-Seite gibt es das 7-teilige "Winter's Dream" zu hören. Eine jazzige Progressive Rock Orgie, die unheimlich viele Facetten hat und wohl als Vorläufer der in den 70ern folgenden Jazzrock/Fusion Welle gesehen werden kann. Allein die irre schweren und hinreißend harmonischen Gesangslinien machen die Songs hörenswert. Die abgefahrenen Instrumentalparts schüren Themen, lösen und verbinden sie, drehen Harmonien auf und schließen sie verblüffender Weise und plötzlich wieder zusammen. Emotionen schrauben sich hoch, rasten aus und fallen erschöpft in sich zusammen. Die Band auf der 1. LP-Seite sind bis auf Edgar und Johnny völlig unbekannte Musiker, die fabelhafte Arbeit geleistet haben und ein begnadetes Werk geschaffen haben. Die 2. LP-Seite spielte Edgar mit der Band seines Bruders, der Johnny Winter Band ein.
Die Songs sind dennoch nicht weniger progressiv. Blues ist vermehrt zu hören, doch diese heavy bis zart arbeitenden und komplexen Arrangements sind wohl das schrägste und schwerste, was die beiden Brüder je gespielt haben. Blues und Jazz finden hier eine magische Verbindung, und immer wieder sind es gerade die Gesangslinien, die ungewöhnlich, harmonisch hinreißend und ungemein überraschend sind. Ein typisch amerikanisches Werk, das vielleicht mit Colosseums Erstling verglichen werden kann, um ein europäisches Release zu bemühen, das so ähnlich klingt. Dieser Vergleich ist eher weit hergeholt und nur als etwaige Parallele heranzuziehen.
Das ein Jahr später veröffentlichte "White Trash" findet nur wenige Vergleiche zum Vorgänger. Plötzlich spielt Edgar mit komplett neuer Mannschaft rattenscharfen Heavy-Soul. Die einzige Parallele ist der kratzig-röchelnde Schreigesang von Edgar, der klingt, als schreie er um sein Leben.
Der zweite Sänger im Bunde ist Jerry La Croix (später u.a. bei Rare Earth), dessen begnadete Stimme eine mordsmäßig heftige Rockröhre ist, in Facetten ähnlich zu der des frühen Joe Cocker. Die dunkle Rockröhre La Croix und das kratzig-helle Stimmchen Edgars teilen sich die radikal scharfen Songs. Harte Gitarren, Bläsersätze wie Rasiermesser, ein schwerer und gut arbeitender Rhythmus - die Songs blasen einem die Rübe weg! Ja, nicht anders.
Dazwischen gibt es balladeske Songs, die zwischen Gospel, Soul und Beatles-Harmonien mäandern, was fürs Herz, das man sich gut antun kann. Die rasanten Songs sind in der Überzahl, und vor allem, wenn der weibliche Gospelchor in den Gesang der schnellen, überschwänglichen Songs einsteigt, steigt der Glückspegel.
Diese Heavyness zeigt auch das ein Jahr später, 1972, veröffentlichte 2LP Werk "Roadwork", das BGO auf einer CD wieder veröffentlicht hat. Die Sänger schreien, kreischen und brüllen, während die Band sich die Finger an den Instrumenten abschleift. Eine Hölle für die Musiker, ein Genuss für den Hörer.
Ein Jahr später starb Schlagzeuger Bobby Ramirez bei einer Kneipenschlägerei, Edgar löste daraufhin die Band auf und widmete sich zusehends gelacktem Heavyrock.
Absoluter Tipp für die 3 ersten Alben Edgar Winters.
VM
Zurück
|
|