Ray Wilson & Stiltskin - "She" (Sandport 2006)
Ray Wilson & Stiltskin - "Live" (Sandport 2007)

Scheint so, als wäre Ray Wilson endlich angekommen. Nachdem der sympathische Schotte als Kurzzeit-Frontmann von Genesis seinen größten Erfolg wie auch seine größte Niederlage erleben durfte (mußte?), hatte er einige Zeit damit zu tun wieder auf die Füsse zu kommen. Versuche mit einer neuen Band (cut_) und Solo-Alben zu Erfolg zu kommen, blieben eher hinter den Hoffnungen zurück. Am ehesten konnte Ray Wilson als wirklicher Solo-Performer, bewaffnet nur mit einer akustischen Gitarre und natürlich seiner genialen Stimme, überzeugen. Davon künden einige Live-Alben.

Nun hat Wilson also seine alte Band Stiltskin wiederbelebt... na ja, "seine" Band war es ja eigentlich nie. Der Mann hinter Stiltskin war Gitarrist Peter Lawlor, der seinerzeit das Album "Mind's Eye" weitgehend im Alleingang geschrieben und eingespielt hatte. Aber als er dann einen Sänger brauchte kam Ray Wilson ins Spiel. Mit Stiltskin feierte Wilson dann seine ersten Erfolge (gerade "Inside" war - gepusht vom Einsatz in einer Jeans-Werbung - ein veritabler Hit) und schliesslich klopfte Genesis an. Als nun die Namensrechte für "Stiltskin" frei wurden, griff Ray Wilson zu und sicherte sich diese. Also, ein bisschen Etikettenschwindel, aber was soll's, wenn die Ergebnisse dabei gute sind.

2006 erschien das erste Album unter dem neuen Label "Ray Wilson & Stiltskin" - "She". Und es wirkt als wäre Wilson damit wirklich in seiner eigenen Welt angekommen. Halbgare Pop-Prog-Mischungen, wie sie seine Solo-Alben zieren, sucht man hier vergebens. Wie man überhaupt "proggiges" vergebens sucht. Ray Wilson macht auf soliden Hard Rock mit durchaus mainstreamigen Appeal. Straighte Songs mit guten Melodien, getragen von Wilsons nach wie vor unnachahmlicher Stimme und durchaus sehr guten, gut ausgewählten Musikern. "She" wäre allerdings ohne Ray Wilsons Organ ein durchschnittliches Rockalbum, dass muss man klar sagen. Trotzdem: Ein schönes Album, Songs wie "Lemon Yellow Sun" (die erste Single) und "Fly High" hätten in einer gerechten Welt durchaus das Potential im Radio gespielt und zu Bestsellern zu werden.

Die neuen Stiltskin haben vor allem mit Lead-Gitarrist Uwe Metzler ihren Trumpf. Der Deutsche, der eigentlich eher aus der Jazz-Ecke kommt, hat nicht nur einen Teil der Songs mitkomponiert, sein variables Gitarrenspiel veredelt das Album in besonderer Weise. Mit Irvin Duguid an den Tasten ist ein weiterer wertvoller, langjähriger Wilson-Begleiter mit an Bord. Und auch Nir Z (gemeinsam mit Wilson bei Genesis seinerzeit und auf seinen Soloalben aktiv) an den Drums ist kein unbekannter. Alvin Mills am Bass und Scott Spence als Gast-Gitarrist auf zwei Tracks vervollständigen die Band. Ray Wilson greift auch schon mal zur Gitarre.

Mit "She" im Gepäck ging es dann auf Tour. Dies wurde mit dem Livealbum "Live" dokumentiert. Die Stiltskin-Live-Band schaut aber schon wieder anders aus, als die Studiobesetzung. Besonders schmerzlich ist, dass Irvin Duguid die Tour nicht mitgemacht hat. Konsequenterweise verzichtet Wilson zugunsten eines härteren, rauheren Auftritts gleich ganz auf Keyboards. Neben Wilson und Gitarrist Metzler bilden Alistair Ferguson (Gitarre) sowie die Brüder Lawrie (Bass) und Ashley (Drums) MacMillan das Live-LineUp. Soviel zu Stiltskin ist eine Band...

Live rocken sich Wilson und die Jungs durch ein buntes Programm aus alten Stiltskin-Klassikern, Songs des neuen Albums und kleinen Ausflügen ins Wilsonsche Solo-Repertoire. Bezeichnend ist vielleicht, dass die alten Stiltskin-Sachen wie "Sunshine And Butterflies", "Footsteps" und "Inside" die Konzerthöhepunkte darstellen. Aber letztlich kommen auch die Rock-Songs von "She" gut 'rüber und die Songs von cut_ ("Sarah", "Gypsy") stellen schöne Ergänzungen dar. Wilson verzichtet auf jegliche Genesis-Reminiszensen und das ist gut so. In den Alternative HardRock-Sound hätten diese Sachen ohnehin nicht gepaßt. Ausserdem werden so die weinerlichen Momente - "ach, was hatte ich doch für ein Pech..." - vermieden, die früher schon mal durchklangen.

Ray Wilson & Stiltskin "Live", das ist ein reelles, schönes Konzerterlebnis ohne große Nebenwirkungen, aber dafür viel Spaß. Wilson ist live eine Bank und wenn er in "Fame" mit Stargast Maria die Siegerin eines fiktiven Pop-Idol-Wettbewerbs präsentiert, dann ist auch der nötige Spassfaktor geboten.

Beide Alben kann man direkt über Wilsons Homepage bestellen. Diesen Weg wird der wahre Fan (trotz etwas höherer Preise) auch wählen, denn dann wird das Booklet von Ray Wilson handsigniert. Wer es einfacher mag, der kann die Alben auch über InsideOut, in deren Versand Wilson untergekommen ist, bestellen.

Thomas Kohlruß



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