Vienna Circle "White Clouds" (Eigenproduktion, VÖ: 08.05.2009)

Die beiden Brüder Paul (g, voc, back-voc, p, key) und Jack (b, p, add-back-voc) Davis sind zwei illustre Musiker, inspiriert durch The Beatles, Pink Floyd und Neal Morse. Der sanfte Neoprog auf ihrem Debüt "White Clouds" zeigt zudem einen starken Einfluss aus dem Erbe der New Romantics Szene der 1980er Jahre. Der begnadete, technisch und komplex trommelnde Schlagzeuger Russell Wilson ist der entscheidende Unterschied zum Sound der Achtziger - aber nicht dies nur, was die Brüder sich an ausgefeilten Ideen und Arrangements haben einfallen lassen, spricht für große Inspiration. Die Songs sind flüssig und eingängig, trotz aufwendiger, vertrackter Arrangements. Sie können mehr als im Neoprog üblich, partiell auch weniger, wenn eine Idee mal etwas sehr sanft und poppig schlicht geraten ist.
Oberstes Gebot schien gewesen zu sein, die Songs mit tiefer Melancholie und intensiver Zartheit auszukleiden, und den Drummer den lyrisch versponnenen Melodiegespinsten druckvollen, akkuraten, emotional bisweilen heftig auftragenden Rhythmus unterheben zu lassen, auf dass der Kontrast zwischen Schöngeist und Rockdynamik die Stücke lebendig macht.
Die beiden als romantische Jünglinge mit halblangem Seitenscheitel-Haar verträumt im Booklet abgebildeten Brüder haben die Songs gemeinsam geschrieben. Darunter auch "First Night in Berlin", dessen Lyrics mir nicht sagen, ob das Duo sich von den Deutschen angepisst, bitte um Vergebung, oder was auch immer fühlt, möglicher Weise sind die Lyrics mit ihrem "ready for war" nur eine Traumaussage. Das scheint es zu sein, der Himmel hängt melodisch volle Geigen und nichts klingt aggressiv - was etwas irritiert. - - - Und dann entdecke ich, dass es sich um ein Konzeptalbum handelt, dessen Handlung 1914 angesiedelt ist und von einem Briten erzählt, der kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs ins Zentrum Berlins wechselt, latent wachsende Ablehnung erfährt, die aufkommende Kriegsstimmung, die zu Beginn des ersten eine ganz andere als die vor dem zweiten war, entfaltet ihre erregte Aufruhr.
Die Knaben haben ein musikalisch schickes, hübsches Album eingespielt, das sich nicht nur textlich kontrastreich zeigt. Technisch sind keine Macken zu hören. Ganz im Gegenteil wissen Beide, wie der Trommler, ihre Instrumente lebhaft und virtuos zu spielen. In romantischem Pathos aufgehend, donnert der instrumental lyrische Bombast sphärisch und versponnen in melodischem Tiefgang dahin. Partiell, in einigen Intros und Gesangsparts wird es dann doch süßlich und neoproggig bieder und kitschig, tropft die Romantik übersäuert aus den Boxen und es braucht Geduld, sich dem weiteren Hören nicht zu entziehen. Bis es wieder besser wird. Insgesamt jedoch hört sich "White Clouds" wie ein Hit für Freunde anspruchsvollen Neoprogs an, die romantische Musik hat Magie!

viennacircle.co.uk
myspace.com/viennacircle
justforkicks.de
VM



Zurück