Various Artists "tripwave" (Trail Records 2011)

Knapp 80 Minuten lang ist der retrospektive Sampler "tripwave" des russisch-amerikanischen Labels Trail Records. Enthalten sind 11 Songs verschiedener, schier unbekannter Bands aus dem russischen Underground, die zwischen 1989 und 2010 eingespielt wurden und entweder bislang nicht veröffentlicht waren oder in dieser Form nicht auf CD zu finden sind.
Untertitelt ist das Album "A Retrospective Collection of Russian Psychedelic Progressive Music". Mit dem Beginn der Perestroika und Glasnost, der progressiven Wende in der poststalinistischen Pseudo-Kommunisten-Ära der späten Achtziger brach eine ganz neue, bislang unterdrückte und nicht nur nicht geförderte, sondern zersetzte Musikszene ihren drängenden Ausdruck in Gang. Bands sprudelten wie Lava aus dem Boden, KGB und andere Geheimdienste brachen über den kreativen Köpfen hinweg und alle kreativen Kunstszenen explodierten. Harter, wilder Ausdruck brach sich forsch, wild und aggressiv Bahn, was bislang unterdrückt war, brach aus den Höhlen mit enormer Wut und intensiver Lust. Ein Freiheitsgefühl setzte sich in Adern, Gehirnen und Fingern durch, dass alle, die dies erlebten, schier schwebten und vor unbändiger Lebenslust barsten.
Ausdruck dieser explodierten Kreativitätslust ist hier vielfach zu hören. Stilistisch sind die Aufnahmen kaum in herkömmlichen Schubladen zu bändigen - da waren sie lang genug begraben gewesen. Da barst ein erdbebenartiges Gebräu aus allen Kanälen, das nur alles, was wild und leidenschaftlich war und den Interpreten in der Blutbahn stand, zu Sound wurde. Jazz, Punk, Psychedelic Rock, Brutalmetal, Pop, Funk, No Wave, Progressive Rock, mit Leidenschaft und ungemeiner Energie gespielt, brach sich Bahn. Nicht alles war hinreißend komponiert, aber alles war wild und unfassbar.
Bezeichnend beginnt eine Band namens ‚Eastern Syndrome' mit dem über 10 Minuten langen Wahnwitz "Celt", 1989 eingespielt, 2010 remixt. Das weitaus trockenere Funk-Stück "Moon Dream", 1990 von The Moon Pierrot eingespielt, folgt. Und dann kommt alles: Electronic, tiefste Melancholie, sphärisch zerfließende Sensibilität, punkiger Krach, No Wave Poppigkeit, liedhafte Eingängigkeit gepaart mit harsch wildem Psychedelic Rock, verträumt elegante Düsterklänge aus Electronic und Progressive Rock, pseudosimple Groovemonster im neopsychedelischen Kleid mit Metalgitarren, pulsierende Minimalklänge, Jazzklassikpunk, laszive Verträumtheit, stete Düsternis, Pink Floyd-haftes, World-Folk Rock mit fast schon Gänsehaut garantierender seltsamer Schräglage.
Nicht zu beschreiben. Aber unbedingt zu empfehlen!

trailrecords.net
VM




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