Tyranny Of Hours - same (In Vellum Productions 2013)


Welche Band kann im Jahr 2015 als Fackelträger des Progressive Metal fungieren? Dream Theater - vergiss diesen zähen Weich-Käse! Symphony X - ihnen ging leider zuletzt etwas die Luft aus, aber immerhin ist Jason Rullo wieder zurück unter den Lebenden! Fates Warning - auch sie müssen ihre alte Form erst wiederfinden! Queensryche - Spalter! Power Of Omens - diese Genies gibt es leider nicht mehr, aber wer weiß, vielleicht gibt sich Alex Arellano Malca einen Ruck und trommelt die Jungs wieder zusammen! Psychotic Waltz - können wir auf ein neues Album hoffen, wie von der Band schon vor Jahren angekündigt? Spiral Architect und Watchtower - veranstalten einen Wettbewerb namens "Wer kann länger unter (der) Wasser(oberfläche der unveröffentlichten Songideen) bleiben?!" Was aber, wenn es eine Band gibt, die nicht nur symphonisch-komplexe Arrangements mit bestechenden Melodiebögen am laufenden Band zu zaubern vermag, sondern darüber hinaus noch eine der besten weiblichen Stimmen ihren Reihen hat, die mir je in die Ohren gekommen sind. Einen Mix aus Progressive und Symphonic Metal, wie ich ihn noch niemals zuvor gehört habe, zelebrieren TYRANNY OF HOURS - ich bin absolut paralysiert. (Das Schreiben dieser Renzension fällt mir schwer, denn ich will mich beim Hören dieser Scheibe jedes Mal völlig auf die Stücke konzentrieren.) Typischen Mädel Metal (mit singenden (Nerven-)Sägen oder Heulsusen), wie es ihn im Dutzend gibt, kannst Du getrost in die Tonne kloppen, nachdem Du TYRANNY OF HOURS gehört hast. Allein das nur 150 Sekunden dauernde, in gälischer Sprache gesungene "A Breath With Peace" beinhaltet mehr Tiefe und Ausdrucksstärke als das Oeuvre mancher großen Band. (So etwas nennt man wohl Liebe auf den ersten Ton.) Iona hätten ein solches Lied nicht besser umsetzen können!!! (Kann mir übrigens jemand die englische Übersetzung des Textes liefern???) Sehr vergröbernd ausgedrückt könnte man TYRANNY OF HOURS ungefähr zwischen den alten Symphony X, Mastermind in ihrer Hochphase und den superben Myrath verorten, mit einer Sängerin von der Qualität einer Joane Hogg, die aber deutlich mehr Power in der Stimme hat - Richtung Ann Wilson im Quadrat. Diese Wunder-Wal(l-of-sound)küre hört auf den Namen Michelle Mattair und ist Klang gewordene Emotionalität. Nicht minder erwähnenswert ist Don Graham, der sich für Gitarre, Bass und Orchestrierung verantwortlich zeichnet und zusammen mit Michelle sämtliche Musik und Texte schrieb. Manchmal glaube ich fast, Ludwig van Beethoven hat beim Komponieren als Ghostwriter Hand angelegt, auf solch durchgängig hohem Niveau sind die Nummern - wirklich begnadet. Auch Larry London bedarf der unbedingten Erwähnung; selten habe ich einen Schlagwerker gehört, der mit derart hintergründiger Finesse ein rhythmisches Starkstromnetz webt. Da wir in einer Zeit der Kategorisierungen leben, taufe ich den Stil, den TYRANNY OF HOURS zelebrieren, Korallen-Riff Metal: bunt-schillernde Harmonien schwimmen auf Riffwände zu, um mit diesen zu einer Ohrenweide zu verschmelzen, die großes Suchtpotential besitzt; Walther hätte vor lauter Verzückung nicht mehr gewusst, ob er von der Vogel- oder von der Fischweide kommt, wenn ihm das Gutieren solcher Klänge vergönnt gewesen wäre. In dieser Musik kann man aufgehen wie in einem aufwühlenden Film - die Realitätsebenen verschwimmen nahezu vollständig. Packende Filmmusik zu schreiben dürfte für diese Band ein Leichtes sein. Entsprechende Aufträge sollten deshalb nicht lange auf sich warten lassen; die Musik von TYRANNY OF HOURS kann selbst mittelmäßige Filme gewaltig aufwerten. Jedes Stück dieser CD wird zu einem Kurzfilm für die Ohren bzw. das Album zu einem Episodenfilm, der dringenst nach einer Fortsetzung verlangt. Auf youtube kann das neue Stück "River Of Stones" in Augen- und Ohrenschein genommen werden, das eine nochmalige Steigerung der schon Ehrfurcht gebietenden Leistung auf dem Debüt verspricht. Ich hoffe sehr, dass der Episodenfilm "Tyranny Of Hours" baldigst auch nach Europa in die Kinos kommen wird, darum Konzertveranstalter, erbarmt Euch und bringt diese Band auf hiesige Bühnen - jede Stunde zählt.

tyrannyofhours.net
facebook.com/TyrannyofHours

Frank Bender




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