Trigon - Emergent (Eigenverlag 2005)

Die drei Wilden aus Karlsruhe (die Brüder Lange an Gitarre und Bass, sowie Tihomir Lozanovski an den Drums) legen wieder mal ein Studioalbum vor. Das ist in der nun schon längeren Trigon'schen Karriere immer noch ein eher seltenes Ereignis, denn es ist erst das vierte. Allerdings werden die Abstände zwischen den Veröffentlichungen kürzer, das lässt hoffen ;-)

Wieso eigentlich die "drei Wilden"? Ist Trigon nicht schon längst zu einer Viererbande mutiert? Ja und Nein: Udo Gerhards, auch bei der Münchner Formation Nekropolis 23 aktiv, ist seit einiger Zeit ständiges Mitglied im Live-LineUp von Trigon und auch Gast bei vier Stücken auf "Emergent". Aber leider, leider ist das auch seine Abschiedsvorstellung bei Trigon. Die räumliche Trennung und viele andere gute Gründe ließen leider kein dauerhaftes Engagement mehr zu.

Neues also aus dem Kamasutra Bunker Studio, zwischen April 2004 und Juli 2005 entstanden die Aufnahmen: "Emergent" zeigt Trigon nicht gesetzt (ha, ha, sowieso ein komischer Gedanke angesichts des hyper-vitalen Rainer Lange), aber weiter gereift. Offensichtlich haben wir hier einen musikalischen Fall von gutem Wein, der nicht altert, aber besser und besser wird. Bei Trigon zeigt sich dies in tiefgründigeren "Arrangements" (nun ja, "Arrangements" ist vielleicht nicht ganz richtig, noch entsteht bei Trigon alles meist spontan und improvisiert), die mehr Platz für fragile Momente und Zwischentöne lassen. Und Trigon loten die Möglichkeiten, die man als Rock-Power-Trio mit Gitarre / Bass / Schlagzeug so hat, wirklich weidlich aus. Wer sich Zeit nimmt und genau zuhört, der wird herausfinden, dass dies nicht in einem gewissen Gleichklang enden muss.

Der Reifeprozess von Trigon zeigt sich auch daran, dass die Musiker immer gleichberechtigter werden. Hat in der Vergangenheit die Rainersche Gitarre nicht selten alles niedersoliert, und waren Bass und Schlagzeug nur Begleitwerkzeuge, so hat sich das geändert. Tihomir am Schlagzeug lässt sich sowieso nicht in ein Schema pressen und in das des simplen Rhythmusklopfers schon gar nicht. Nein, das Schlagzeug spielt tatsächlich mit, fast schon melodiös. Ich denke, da ist Tihomir Lozanovski nicht soweit von ähnlich "spielenden Schlagzeugern" wie Daniel Denis oder Dave Kerman entfernt. Tihomir ist sicherlich ein Glücksfall für Trigon.

Und auch Stefan Lange am Bass steht deutlich profunder im Klangbild, die Läufe sind varianten- und fintenreich und nicht selten übernimmt ein fettes Bassriff sozusagen die Führungsarbeit. Trotzdem steht natürlich das virtuose Gitarrenspiel von Rainer Lange immer noch im Mittelpunkt, aber eben - siehe oben - nicht mehr so dominant. Ein Sänger wird hier immer noch nicht vermisst...

Und das ist auch ein Verdienst von Udo Gerhards. Bei seinen vier Einsätzen auf "Emergent" wird deutlich, dass die meist sanft in die Songs integrierten Tastenklänge, genau das sind, was nochmal den Unterschied ausmacht. Fast wirken die zarten Flächen, die geschickten Unisono-Läufe zwischen Keyboard und Gitarre wie stützende Hände, auf denen die Songs zu fliegen beginnen. Ich hoffe, dass der Nachfolger von Udo, der bereits in den Startlöchern steht, ein ähnlich glückliches Händchen beweist.

Vielleicht experimentieren Trigon auch mal mit weiteren Gastmusikern, z.B. Flöte oder Trompete (beides war ja schon mal live zu erleben und das kam gut). Ich könnte mir auch Geige interessant vorstellen, aber ich schweife ab...

Nachdem stellenweise ziemlich relaxten Vorgängeralbum "Continuum" (wenn man mal nur die Studiowerke betrachtet) bieten Trigon auf "Emergent" wieder die ganze Bandbreite. Es beginnt eher psychedelisch-relaxt ("Emergent"), lässt dann schon mal die Rocksau raus ("Lederne Beistelldamen" oder "Fette Beute"), bevor man sich sozusagen in die sumpfigen Gebiete des Mississippi-Deltas begibt ("TurbulenZen" oder "Lecker Mississipischlamm", das mich unverschämt an Gov't Mule erinnert), um dann endlich space-rockig in den Orbit abzuheben ("Spacechick strikes back"). Hmmm... "Lederne Beistelldamen" erinnert für Sekunden an "Communication Breakdown" von Led Zep, aber woher kenne ich nur das Eröffnungsriff von "TurbulenZen"? Im Übrigen sind, wie man lesen kann, auch die Songtitel wieder besondere Schmankerl...

Als kleines Schmankerl haben die Karlsruher dann noch den Track "Trigonesse oblige" auf das Album gepackt, welcher, getragen von melancholisch-klagender Gitarre, mal eine ganz ungewohnte Seite von Trigon zeigt.

Das neue Album kann über die Band-Homepage in verschiedenen 'Packages' geordert werden, so z.B. sozusagen als Doppel-CD: Dem Original-Album liegt dann noch eine von der Band produzierte und von Gitarrist Rainer Lange gemasterte CDR bei, die nochmals satte knapp 44 Minuten Trigon-Musik enthält. Und die Songs, die hier präsentiert werden, stehen nicht nur den Titeln von der Original-"Emergent" in nichts nach, sondern halten sogar die eine oder andere Überraschung bereit. Die Überraschungen werden hier natürlich nicht gelüftet, nur soviel: In "Hyperboogie" beweisen Trigon, dass sie immer mal wieder neue Randgebiete erschliessen und diesmal gar wie ZZ Top auf Spacerock klingen ;-) Bei einigen Titeln der Session für die Bonus-CD scheinen mir auch noch Tasten zu erklingen, aber wer weiss? Da muss jeder selbst seine Ohren anstrengen. Fans des Trigon-Sounds sollten gleich zum Doppelpack greifen...

Der Prog-Untergrund hält zusammen: Das einfache, aber effektive Artwork stammt von [progrock-dt]-Listenmitglied Marco "Anifan" Scheiper und das Mastering hat kein Geringerer als Grobschnitts Eroc übernommen.

Das Album wird ab 19. September erhältlich sein (wie gesagt: direkt über die Band-Website, wie immer ist das natürlich eine GEMA-freie Produktion).

Thomas Kohlruß



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