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Transubstans Records Special
Thalamus - Subterfuge (VÖ: 14.09.2011)
Gordon Fights - Gordon Fights (VÖ: 24.09.2011)
Johnfish Sparkle - Flow (VÖ: 05.10.2011)
Reform - Reveries of Reform (VÖ: 06.10.2011)
Chillihounds - Shake Your Skull (VÖ: 12.10.2011)
My Brother The Wind - I Wash My Soul In The Stream Of Infinity (VÖ: 02.11.2011)
Siena Root - Root Jam (VÖ: 16.11.2011)
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Eine ganze Weile geht das schon so. Immer weniger Labels versenden CDs, bieten Reviewern Downloads ihrer neuen Veröffentlichungen an, die sie auf Online-Portalen mit Informationen versehen. In den frühen Neunzigern gab es so viele CDs, dass die Menge kaum zu bewältigen war, das wurde immer mehr ausgedünnt, bis die Schreiberlinge schließlich gezwungen waren, dafür zu betteln zu beginnen. Das war, mit Verlaub, echt Scheiße. Jetzt gibt es wieder alles. Alles! Alben ohne Ende, ‚watermarked', was das auch immer sei. Und der leidgeprüfte Reviewer fängt an, Downloads zu verstehen. Das erste runtergeladene Promo-Album - wie war das zu händeln? Wieso war das gezippt? Ach, das muss entpackt werden! Und da sind sie alle: Songs [jetzt weiß ich, dass es einen Windows Media Player gibt - und wie das Teil funktioniert - der Rechner musste an die Anlage], Fotos, Bandbiografien, Info-Sheet und Co. Manche Alben sind in 320 kBit/s, viele in schlechterer Qualität. Die Musik der neuen Alben könnte sehr gut sein, wenn der Sound nicht so, nun, eingeschränkt wäre.
Aber egal: es gibt jetzt ganze Alben für jeden Reviewer. Und es gibt mittlerweile mehr Rezensenten als Hörer, warum also macht ragazzi nicht den Laden dicht, wie vor einem Jahr angekündigt, sondern macht plötzlich doch weiter, obschon das Gros der ehemaligen Leser das Webzine schon längst abgeschrieben hat und ignoriert? Also: ich habe keinen (großen) Bock mehr, über Musik zu schreiben, und das liest man wohl auch. Aber ab und an kommen ganz nette neue Scheiben raus und dann flattert doch wieder mal eine CD (oder plötzlich ein ganzes Paket!) ins Haus. Und so geht es weiter und weiter. Oder es hört auf. Und geht doch weiter. Da es sowieso niemanden zu interessieren scheint, als nur die Leute, die in den Plattenfirmen darauf warten, einen Link per Email zu bekommen, um den Text zu lesen und ihn in irgendeiner zerschnippelten Form gebrauchen zu können, denn die Chose muss weitergehen, und sich Reaktionen von Lesern seit Jeher in Kleinstmengen (Tendenz gegen Null) einfinden, geht es eben weiter. Ab und an neue Texte, und dann wieder eine Weile nix. Und da der CD-Stapel dann doch wieder anwächst, muss er runtergeschrieben werden. Die Downloads hingegen, erst einmal auf dem Rechner, schließlich entpackt und in systematisch erkennbare Ordner gesperrt, stauben vor sich hin, bis sie mir dann nach langer Zeit wieder einmal vor die Augen kommen und die innere Pflicht ihr schlechtes Gewissen bekommt. Da hier schon eine ganze Menge zusammen gekommen ist, und die wertlosen Dateien ins Archiv wollen, wo sie dem digitalen Staub der Ewigkeit ausgesetzt werden, werden jetzt alles Aktuelle zusammenfassende Specials über Releases geschrieben, die von Labels kommen, die ganz zu Downloads übergegangen sind. Transubstans machte noch nie gute Promotion, es gab schlecht gebrannte CDs, dünne Infos, da ist diese Online- und Download-Geschichte ein Hypersprung. Genug Intro:
Thalamus - Subterfuge
Thalamus, 2006 gegründet, spielen Hardrock im guten alten Stil der Mitt70er. Ihre Songs sind nicht zu simpel, wenn auch längst nicht besonders komplex. Der Sound kommt gut an, hinreißende Gitarrensoli und fetter Orgelsound mischen das Geschehen schön auf. Der mit junger, aber voluminöser und kraftvoller Stimme ausgestattete Sänger und Gitarrist Kjell Bergendahl kann seinen Part sehr gut, Gesangslinien sind gut bis cool, nicht wirklich aufregend, aber doch eindrucksvoll. Die Rhythmusabteilung Peter Johansson (b) und Sebastian Olsson (dr) baut fettes Fundament, das ordentlich federt und differenzierte Vielfalt präsentiert. Die Neuzugänge Mats Gesar (g) und Joakhim Åslund (keys) tun ihr Bestes, den fetten Sound noch fetter zu machen. Hin und wieder bekommt die Bluesbasis ihren schweren Überschlag und schwer und satt wuchtet die Band diese Songs boogielebhaft und rigoros. 11 Songs sind auf der CD, zusammen fast 50 Minuten lang, aktuelle Einflüsse: keine. Schickes, cooles, kluges Hardrock-Album, das weniger an schwerster Härte als an fein ausgebauten Songs interessiert ist, und es pausenlos krachen lässt, selbst in balladesken Motiven.
Gordon Fights - Gordon Fights
Die Stockholmer Gordon Fights mögen es krachig und simpel. Zwar sind ihre Songs kein Punk, aber die Tendenz dazu haben sie in ihrer kompositorischen Alternative-Dürre. Sobald so ein Stück aber auf Level ist und die Energie halten kann, setzt sich fettes, feines 70s Feeling durch, dass tiefe Einflüsse von Lynyrd Skynyrd erkennen lässt. Die Band meint zudem, von Otis Redding, den Stooges und Jefferson Airplane beeinflusst zu sein. Und es gibt noch mehr rauszuhören: die volumige Schwerlasteleganz von Kyuss etwa und der Druck von Sonic Youth. Gitarrensoli sitzen auf rhythmischer Basis zwischen Jazz, Blues und Hardrock, schwenken gern in sleazy Blues aus oder rocken Schredderorgien zu Krachepen hoch. Wenn nicht die Alternative-Einflüsse wären, die dem auffahrenden Songgerüst das magere Intro bescheren, könnte ich glatt denken, die stammten aus den 70ern und sind auf Zeitreise im Hier und Jetzt, noch nicht ganz angekommen, aber schon mal vom Heutekrach beschallt, gebannt von Alt und Neu und inspiriert für 47:42 Minuten, die sie in 10 Parts absolvieren. Zwei Tracks davon, der erste und der letzte, laufen etwas länger und haben reichere Basisstruktur. Was drinnen passiert, ist auch in der Reihe Dreiminüter überzeugend anzuhören, etwa "Brothers & Sisters", das klingt, als stamme es von der Allman Brothers Band [;)].
Die 2008 gegründete Band hat es technisch ohne Frage drauf, frisch und vollmundig zu rocken und Southern Suede Shoes gegen die lange Weile zu basteln.
Johnfish Sparkle - Flow
Noch mehr 70s Hardrock liefern die Italiener Johnfish Sparkle. Schon verrückt, wie viel Led Zeppelin in den selbst komponierten Tracks steckt. Immer gut eingearbeitet, die Inspiration ist überdeutlich. Nix ist indes zu gewollt, das Trio Dave Perilli (b), Rob Gasoline (dr) und Al Serra (voc, g) klaut nicht, sondern baut auf das alte, edle Fundament neue Ideen, die nicht nur Blues und Hardrock intus haben, sondern zudem im aktuellen Soundzeitgeist Schredderanleihen nehmen (wie sie Jimi Page niemals kreierte). Besonders abwechslungsreich ist das Album nicht, die Band hat ihren Sound, ihren Rhythmus, ihre Stimme. Alles ist technisch fein und wohlüberlegt gestaltet, doch bis auf die kurze Akustiknummer "Gaudi's Run" sind alles Songs auf einem Level. Die Songs haben ihre experimentelle Seite, instrumentale Ausflüge werden diszipliniert absolviert, jeden Augenblick könnte es krachen und explodieren, aber die Italiener haben es nicht so mit Emotione. Jedenfalls nicht mit der überschießenden. So bleibt der Eindruck, dass die Platte gut und fett rockt, ohne aber Höhepunkte oder Verschnaufpausen anzubieten, die das Ohr erfrischen. Und leider rutscht die Aufmerksamkeit mir des Öfteren weg und muss wiederbelebt werden. Und doch: gut.
Reform - Reveries of Reform
Das fünfte oder sechste Album? Beide zusammen? "Reveries of Reform" ist 106 Minuten und 41 Sekunden lang, die zwölf überwiegend langen Songs sind überwiegend instrumental, hier und dort gibt es ein wenig gesungenen Text, der überrascht, weil er weit und breit einsam ist. Jesper Bergman (b, voc), Peter Åkerberg (guitar, keys), Anders Bergman (dr), Magnus Ramel (keys) und Mattias Lennestig (keys) spielen pfiffigen, cool lockeren, 70s inspirierten Jazzrock mit Fusion-typischen Disharmonien und Dualläufen von Gitarre und Keyboards. Die partielle Mundharmonika hat ihren Reiz, wirkt aber in ihrer Bluesbetontheit leicht fremd, kann jedoch auch exzentrisch und bringt damit ungewöhnliches Leben ins Spiel. Die Rhythmusabteilung groovt fett und organisiert auf relativ komplexen Schemata. Über allem steht ein ambienter Hauch. Der Sound ist dezent und zart, fährt seine Ideen nicht nur fein balladesk auf, was den Jazzrockdisharmonien eine tiefe Wärme und sanfte Lyrik gibt, sondern bleibt überwiegend in nachdenklicher bis melancholischer Versunkenheit, woraus nur ein paar wenige erregte Momente brechen. In den Siebzigern hätten große Teile des Albums als Hintergrundfernsehpausenmusik perfekt funktioniert, Naturdokus lieben heute noch die sphärische Mischung aus Rock und Jazz. Selbst "Nuclear War" mit seinen zarten Lyrics klingt wie die Liebeserklärung an die schönen Dinge des elektrischen Stromes. Da sind nur ganz wenige Anknüpfpunkte an den alten ECM-Sound, viel mehr setzen Reform Einflüsse alter JazzRocker um, auf die skandinavische Weise, in psychedelischer Schwebe, dunklen Farben und herbstlicher Lust auf Gemütlichkeit. Gemütlichkeit ist das treffende Wort, und doch faselt die Band nicht schlappen Dämmerschlaf dahin, sondern knabbert mit Idee und Spielwitz voll ausgedehnter Sololandschaften an reizvollen Themen. Beim ersten Mal wurde der Sound noch nicht warm, beim zweiten setzte er schon ein paar Moleküle frei, jedes weitere Abspielen machte die Songs reicher und eindrucksvoller. Und so bleibt es auch, hoffentlich - - -
Chillihounds - Shake Your Skull
No fashion, just Rock'n'Roll. Und tatsächlich sind Chillihounds deutlich schlichter unterwegs als alle anderen hier gebündelten Digitalbands. Was 70s, setzt auf AC/DC oder Ted Nugent, jedoch erheblich vereinfacht. Wo schon AC/DC straight am Bindfaden rocken, basteln diese ihre Songs noch dünner. Statt eines echten Schlagzeugers hätte es für das 4/4-Rhythmusdings auch 'ne Maschine getan. Die Gitarren indes werden wie im Bluesrock gezogen und gezerrt, ohne allerdings für längere Instrumentalarbeit freigelassen zu werden.
"Shake Your Skull" ist das dritte Album der Band, 10 Songs sind drauf, all in all 37 Minuten. Die poprollenden Rolling Stones-like Tracks könnten von "Tattoo You" stammen, die scharfkantigen Rocker von - wohl jedem [späteren?] AC/DC-Album - und dann sind da noch Bluestracks, mit Mundharmonika und akustischer Blechgitarre, hier ist, was Rhythmus, ganz Radio und schlichtest. Die eingängigen Chor- und Sologesänge machen die Platte einmal mehr für Freitagabendkneipenbandzugehöre fit. Musikfreaks staubsaugen indessen.
My Brother The Wind - I Wash My Soul In The Stream Of Infinity
My Brother The Wind sind im epischen Spacerock zu Hause. Beeinflusst von Anekdoten, Magnolia und Makajodama spielt die Band einen druckvollen, düsteren Sound, der zwischen zähflüssiger Psychedelic Lava und komplex jazziger Mellotron-Progression liegt. Während der Bass exzellent ausgefallene Linien ‚singt' und experimentell zwischen Jazz und Prog arbeitet, donnert das Schlagzeug irgendwo zwischen episch powernd und differenziert vertrackt die Tiefe der Songs aus. 6 Stück sind auf der Platte, die es zusammen auf 50 Minuten bringen. Opener "Fire! Fire!" ist über 13 Minuten ausgebaut und das Beste kommt erst noch. Die knapp 4 Minuten von "Pagan Moonbeam" haben Kraft und Tücke, aber erst "The Mediator Between Head And Hands Must Be The Heart", keine 6 Minuten lang, hat die Virtuosität und Dichte des besten Anekdoten-Klanges. Schönes Teil! Grandios in seiner Epik und luftigen Komplexität - wahrhaft eine klassische Idee, gekonnt sensibel ausgebaut. "Torbjörn Abelli" im Anschluss setzt seine Verträumtheit mehr alternativ durch, krachiger, schlichter, weniger eindrucksvoll, weniger differenziert, weniger für Freaks, mehr für Epiker. Zwar hat auch diese Idee Kraft und Inhalt, weit weniger jedoch als der exzellente Vorgänger. Besser wird es wieder mit "Under Crimson Skies", einer bluesbetonten Spacerock-Nummer, deren 10 Minuten mittendrin ins verträumt Jazzige springen, um die Basisenergie des langen Songaufbaus mit lasziver Energie bis zum Sonnenuntergang zu führen. Wieder so ein Meilenstein, nicht ganz die Qualität von "Mediator", aber ausgefallen gut und wahrhaft besonders. Und als reiche dies noch nicht, setzen die 6 Minuten des das Album abschließenden Titeltracks noch einmal ganz auf große, epische Melancholie, deren Weite space-psychedelisch ausgelegt ist und Jazzmuster in loser Epik zerfließen lassen. Wie sagt die Band, direkt von der Seele, über die Finger, auf's Band. Und in das Ohr, in den Kopf, in die Blutbahn, die Seele. Exzellente Atmosphäre. Für Genießer.
Ach ja, Anekdoten's Nicklas Berg gehört zur Band, ganz unauffällig, als einer von zwei Gitarristen.
Siena Root - Root Jam
Das Intro erinnert in seiner Cowboyromantik an uralten Morricone. Während der Konserve wird die Band angesagt und die legt gleich mit 100% los. Siena Root tragen so viele verschiedene Elemente in ihre Songs, das kaum stilistisch zu umfassen oder beschreiben ist, was die gnadenlos begabte Truppe leistet. Psychedelic Rock mit (pseudo)asiatischen Einflüssen, Hardrock, Blues, Jazz, Southern Rock, Stoner, Folk, Liedhaftes, Sixties-Pop und Progressive Rock - jeder Einfluss fett und markant neben dem anderen stehend, nix vermixend, was nix vermixt sein muss. Die 12 Songs machen knapp 92 Minuten voll, wäre das Album 1974 rausgekommen, wäre es ein Renner und kaum würde auffallen, dass die Zukunftsmusik gebeamt ist. Am besten arbeitet die Band, wenn sie ihre Lyrics absolviert hat und die instrumentale Aussicht genießt. Zwar sind die Stimmen der Damen und der Herren wohl ausgebildet und über jeden Zweifel erhaben, doch die Kriegstänze der instrumentalen Schlachten zwischen hoch aufgefahrener Energie, lasziver Schwere, düsterer Radikalität und nonchalanter Melancholie sind unübertrefflich. Ein paar kurze Rocker stecken zwischen den langen Rillen, und keiner fällt schlecht auf. Wenn die Band Groove auffährt, um in psychedelischen Ethnofolk-Hardrock-Gewässern zu Stoner-fischen, sind die Ideen deutlich schlichter und eingängiger als in den wilden Balladen und gelehrten Komplexstücken. Das akustische "Trippin" lässt die Hippiesonne aufgehen, damit im anschließenden "Bhairavi Thumri" Sitarschwangere Indienklänge in seltsame Fernen entziehen. Von allem hat die Band was auf Lager. Doch, DOCH, den besten, allerbesten Eindruck hinterlassen Siena Root mit der wahnsinnig guten Ballade "Long Way From Home", der es nur 3 Sekunden am Zehnminüter fehlt. Zu Beginn scheint sich typische Skandinavien-Epik aufzutun, kratzschwere Orgel fährt zu nostalgischer Schwebe hoch, es dröhnt und wummert, und über drei fast Minuten passiert kaum etwas, ohne dass eine Sekunde langweilig wäre. Und schon mit dem folgenden Uriah-Heep-typischen Part wird es magisch. Martin Stensson vom schwedischen Radio-Symphonie-Orchester spielt im Bandinterplay mit und legt Soli vor, die nur begnadet sind. Die dezent jazzige Note im Off profitiert vom knackigen Hardrock, der längst nicht an besonderer Härte, als vielmehr an Intensität und Dichte interessiert ist. Düstere Orgel, raue Gitarre und genannte Violine lassen besonders in der zweiten Hälfte des Stückes die Fäden weit und offen. Nach einem lasziv dunklen Energieeinbruch mit Gänsehautüberraschung legen sie los. Keine technischen Mätzchen, keine extravagant ausgefallenen Radikalpartituren, sondern tiefste Elegie in feinstem Klang. Die illustre Tiefe der Live-Interpretation bringt das Thema ganz hoch. Und immer wieder kommt die Violine in den Vordergrund und verzaubert nur ungemein. "Root Jam" hat viele gute Seiten und hinreißende Songs. "Long Way From Home" ist das beste Stück.
VM
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