Toxic Smile "in classic - Extensions" [DVD] (Eigenproduktion, 11/06)

Die deutschen Progressive Rocker Toxic Smile haben mit dieser DVD eine aufwändige und sicherlich nicht nur organisationstechnisch nervenaufreibende Idee umgesetzt. DVD heißt das Zauberwort in der modernen Musik allerorten, nicht nur erfolgreiche und bekannte Bands setzen sich ein mehr oder weniger künstlerisch anspruchsvolles und wertvolles Denkmal mit der filmischen Umsetzung ihrer Musik. Die technisch möglich gewordene Mode produziert mittlerweile Masse und wer sich mit seiner Musik durchsetzen will, braucht ein überzeugendes Konzept, eine anschauliche Bühne und ein begabtes Kamerateam, usf.
Toxic Smile reißen aus der allgemeinen Masse mit ihrer Idee deutlich hinaus. Statt ein Rockkonzert aufzuzeichnen und es mit allerlei Extras zu garnieren, haben sich die Musiker die Mühe gemacht, ihre für 5-köpfiges Rockensemble geschriebenen Arrangements für 5-köpfige akustische Band, 25-köpfiges klassisches Orchester und vierköpfigen klassischen Chor bis ins Einzelne aufzufächern. Das war im Vorfeld gewiss eine äußerst intensive Arbeit im Stillen samt Absprachen ohne Ende. Dazu kam, dass ein Orchester gefunden werden musste, dass sich der endlich ausgeschriebenen Noten, des großen Projektes, annehmen, und ein Dirigent, der die Fäden des Konzertes, zu überlebbaren Konditionen, in die Hand nehmen musste, um die Koordination des großen Ensembles zu gewährleisten.
Toxic Smile haben ihre Suche wohl beendet. Als Dirigent wurde Konzertmeister und Dirigent Paul Momberger verpflichtet, der die Neue Philharmonie Frankfurt, ein so genanntes "Crossover"-Orchester leitet. Das 25-köpfige Orchester wurde aus Studierenden der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar besetzt. Ganz zum Ende der DVD, nach dem eigentlichen Konzert, kann man im Abspann einen filmischen Eindruck davon gewinnen, wie die Arbeit des Orchesters mit Band und Dirigent vonstatten ging.
Das Programm der DVD ist insgesamt nicht gewöhnlich. Weder gibt es eine großartige Einführung, ein aufwändiges Menü noch sonstigen Schnickschnack, der heute bereits Alltag ist. Zudem sind die einzelnen Tracks durch die Einblendung einer schwarzen Seite, auf denen lediglich die Namen der Songs stehen, getrennt. Schwarz-Weiß- und Farbaufnahmen ergänzen einander. Als Bühne wurde der blaue Saal in der barocken Residenz im mitteldeutschen Waldenburg gewählt. Die äußeren Bedingungen sind hervorragend gelöst. Wenn auch die Auslichtung des Saales und der Bildmix nicht von technisch exklusivster Seite stammen; das war der Band, die diese DVD in Eigenproduktion übernahm, gewiss erheblich viel zu teuer; präsentiert der Film doch ein wohl gelungenes und sehr schönes und schön fotografiertes Konzertereignis. Im Auditorium sitzen, so macht es den Eindruck, Fans und Freunde der Band. Der Dirigent gibt manchmal nach einem Stück ein aufmunterndes Zeichen an das Orchester, wohl, um das Gelingen der komplexen Notenfolge der Partitur zu würdigen. Die instrumental orchestrale Umsetzung der Songs Toxic Smiles und der Gesang des vierköpfigen Chores sind meinem Empfinden nach sehr interessant und großartig gelungen. Was meiner Meinung nach weniger passt, sind die eher poporientierten Gesangslinien, die sicherlich technisch fehlerfrei und dynamisch von Bandsänger Larry B. gesungen wurden, zum symphonischen Klang des Orchesters findet der in diesem Zusammenhang eher leichtgängig klingende Rockgesang keine bewundernde Aufmerksamkeit.
Jedoch, die Hauptsache der Konzertidee ist wohl gelungen. Das große Orchester hat räumliche Weite und dynamischen Klang, im Zusammenspiel mit der akustischen und insofern relativ leisen Band hat das Orchester (samt Rhythmusabteilung der Band) die besten Karten in der Hand. Verblüffender Weise geht das akustische Gitarrenspiel von Uwe Reinholz weitgehend unter und ist das melodisch wenig aufwändig arrangierte Pianospiel von Marek Arnold, dem, wenn ich richtig schätze, Kopf dieser Idee, kein Dynamisierungsfaktor.
Der Klang ist wohl ausgelotet, gewiss nicht die Krönung heutiger Schaffensmöglichkeiten, wenn man ein paar Millionen locker in der Tasche hat, aber doch eindrucksvoll und überzeugend.
Meine persönlichen Kritikpunkte sind das wenig genutzte Marimbaphon, der schon in den "normalen" Toxic Smile Songs nicht mit genialen Gesanglinien ausgestattete und damit nicht überwältigend eindrucksvolle Gesang, was nicht an Larry B. liegt, sowie die Abwesenheit der elektrischen Gitarre - und sei es nur für ein extremes, atonal abstraktes Solo.
Die großartige Arbeit der Band für die DVD kann ich nur unbedingt würdigen und meine Empfehlung dem Werk aussprechen. Symphonic Rock passiert hier auf eine heute ganz ungewöhnliche und überraschend lebhafte, virtuose Weise.

toxic-smile.de
VM



Zurück