Thoughts Factory „Lost“ Eigenproduktion 2013)


Dass im Prog Metal das Beherrschen der Instrumente – auch der Stimme – eine fast schon unabdingliche Voraussetzung für den Einzug in das Elys-Ion ist (Ausnahmen bestätigen die Regel), hat sich in Insiderkreisen längst herumgesprochen, ebenso, dass in kompositorischer Hinsicht oftmals nur Stückwerk in diesem Genre abgeliefert wird, das zwar komplex strukturiert, dafür andererseits ziemlich seelenlos ist. Justament die Proggsters Thoughts Factory aus hiesigen Landen machen alles richtig, was richtig gemacht werden kann; leider gilt wie üblich der Progphet im eigenen Lande nichts. Glücklicherweise hat längst ein Promi, der schon immer einen guten Riecher hatte, nämlich Bülent Ceylan, das Potential der Band erkannt und unterstützt sie nach Kräften. Das haben die Factoryaner auf alle Fälle fairdient, denn ihr Debüt „Lost“ ist meines Erachtens bereits so ausgereift wie nur wenige Alben im gesamten Prog Metal-Bereich. Immer wieder dringen wunderschöne Gesangs-Arrangements, welche die Klippen des Kitsch gekonnt umschiffen, an meine Ohren. Marcus Becker ist definitv der bessere LaBrie, denn er schafft mühelos, was der Käse-James seit Beginn seines Traumtänzer-Jobs zu sein vorgibt: ein guter Sänger, d.h. cremig, ohne schmierig zu klingen - allererste Sahne! Marcus Stimme besitzt außerdem Ähnlichkeit mit der von Ted Leonard, einem meiner Lieblingssänger; Herr Becker kann, wenn er will aber auch die wilde Shout-Sau raushängen lassen. Die Texte lohnen der intensiven Beschäftigung, spiegeln sie doch die Gefühlslage der Musik in unnachahmlicher Weise. Und dann diese Instru-Mentalisten; funkensprühend, mit dem AOR-Killerinstinkt für zündende Melodien und gute Sounds ausgestattet sowie durchdrungen von Aromen wie Boston, Kansas, Queensryche (als sie noch ein formidables Bouquet hatten), Shadow Gallery (eine der am meisten unterschätzten Bands der gesamten Prog-Szene, deren nächste CD vermutlich bald erscheinen wrd), Vanden Plas (Do wärrn die Pälza blass.), Spock's Beard und dem von mir heiß und innig geliebten Rudess/Morgenstein Project. Die Keyboards (Sven Schornstein) und die Gitarre ( Markus Wittmann) sind derart verzahnt und verflochten mit- und ineinander, dass sie meist wie aus einem Guss wirken. Herrlich-harte Riffs verschmelzen mit harmonischen Arpeggio-Kaskaden, auf die sich wechselseitig Soli an Tasten und Saiten wie Lerchen, die mit ihrem tremolierenden Tirili zu Herzen gehen, auf Hochspannungsleitungen setzen - keine Spur von unpassenden und zurecht gek(l)opften Puzzle-Teilen ist zu bemerken. (Hammer, auch wenn zum Zurechtzimmern dieses Ton-Gebildes keiner benutzt werden musste.) Die Rhythmus-Gruppe, bestehend aus Bernd Schönegge (Bass) und Chris Maldener (Schlagzeug) lässt mit ihrem lässig-akzentuierten Spiel etliche Male aufhorchen und sogar die Fünfer gerade sein. Die Tilmann Riemenschneiders des Ton-Drechselns kommen aus Frankfurt am Main. Zwar erfindet die Band weder die Metall-Felge noch den Sterling-Motor neu, doch ist ihre Musik einfach pfundig; selten habe ich ein Werk im Prog-Bereich gehört, das mich auch nach dem zehnten Hören dermaßen begeistern konnte – der absolute Boss-Ton!!!

thoughtsfactory.com

Frank Bender




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