Thieves Kitchen "The Water Road" (Eigenproduktion 2008)

Thieves Kitchen haben einen Namen im Retro-Prog. Mit ihrem vierten Album festigen sie ihren guten Ruf. Die Briten sind Old School, düster und jazzig, aber nicht wie die skandinavische Szene. Andy Bonharn (b, ss, ob), Amy Darby (voc, rec, perc), Neuzugang Thomas Johnson (key), Phil Mercy (g, back-voc), Mark Robotham (dr) und die Gäste Anna Holmgren (fl) und Stina Petterson (ce) spielen verwunschen sanften Symphonic Rock, der sehr lyrisch, aber nicht lyrischer ist, als die schwermütigen Bands aus dunklen skandinavischen Wäldern. Besonderes Markenzeichen der Band ist das bewegte Keyboardgefüge, das schwebende Mellotron-Sounds ebenso wie jazzige Wurlitzer-Klänge intoniert, dazu die extraordinäre jazzrockige Note im Spiel der elektrischen Gitarre und der weibliche Gesang Amy Darbys.
Das Rhythmusgeschehen ist differenziert komplex und wohl gelungen, passt sich den leisen Parts grandios an und unterfüttert die lauten Stellen mit kraftvollem Sound. Dann passiert es, dass die Orgel wie in den Früh-Siebzigern fett röhrt, der Bass vitale Linien melodiert und das Schlagzeug akzentuierte Breaks fährt. Die leisen Passagen sind ebenso bezaubernd wie die lauten, hier wird das jazzige Flair bedeutender. Um es zu konkretisieren: es wird zwar jazzig, aber nie Jazz. Die Band spielt Symphonie Rock alter Schule, gibt dabei einiges melodisch abstrakte und jazzrockig disharmonische Melodische ins Spiel, was den Reiz der Songs unterstreicht. Die Songs, deren erster gleich über 21 Minuten lang ist (mit zwei Ausnahmen sind alle Songs proglang) sind fabelhaft komponiert, fantasiereich arrangiert, wunderbar gespielt, emotional ausgewogen und von einer melancholischen Lyrik, die selten ist. Gewiss werden einige Progfans erst einmal mit den Jazzharmonien im symphonischen Gewand zu tun haben. Doch gerade diese Besonderheit Thieves Kitchens ist ihr ganz eigener Reiz. Aus der Masse heutiger Prog-Bands, deren Arrangements und ganze Songs oft zum Verwechseln ähnlich sind, die stets dieselben Stilmittel verwenden und aus dem "sicheren Bereich" nicht hinaus können oder wollen, ragt die Band meilenweit hinaus. Schön, dass mal wieder eine britische Band etwas riskiert.
Zum Ende wird die CD erstaunlich still, besonders in den beiden letzten Tracks "Plaint" und "The Water Road". Es wird sehr melancholisch, im symphonischen Arrangement verlieren sich die technisch-progressiven Arrangements komplett, bis die Kapelle zum Showdown im Titelsong noch einmal zur Höchstform aufläuft und mit bombastischem Gitarrensolo auf fettem Keyboardgedröhn ein jubilierendes Finale einläutet.
Trotz der vielen zart-sanften Passagen, die in allen Songs vorkommen, sind die Stücke nicht langweilig. Vielleicht hätte hier oder dort eine Straffung gut getan, überwiegend jedoch hat die Musik hohe Qualität. Wie üblich im Progressive Rock geht erst beim mehrmaligen Hören der Reiz der Klänge auf, erschließen sich die Harmonien und Wechsel zwischen dramatischen und sphärischen Parts. "The Water Road" ist ein gutes Album, Old School Freaks und Neo Jünger zu vereinen. Wenn sie es denn wollen.

thieveskitchen.co.uk
justforkicks.de
VM



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