The Void's Last Stand "A Sun By Rising Set" (Long Hair 2009)

Mit 'The Void's Last Stand' betritt das Label Long Hair neue Wege. Nicht, weil zwei der Musiker der Band keine langen Haare tragen, was zwar Frevel, aber mit Bußgeld entschuldbar ist, sondern weil die Band jung, lebendig und aktiv ist und kein historischer Brocken aus der edlen Rockgeschichte. Bislang veröffentlichte Long Hair Reissues von Endsechziger/Frühsiebziger Alben auf CD und LP - ‚The Void's Last Stand' ist die erste Band, die mit aktuellen Aufnahmen am Start ist.
In der Zukunft, so das Label, werden weiterhin aktuelle ‚außergewöhnliche' Bands/Songs unter dem Long Hair Label aufgelegt. ‚Außergewöhnlich' - was mag das bedeuten? Wie hört sich das an? The Void's Last Stand sind Jonas Wingens (voc, g), Geoffrey Blaeske (g), Ray Dratwa (dr) und Rachid Touzani (b). Die Truppe hat auf "A Sun By Rising Set" zwei lange Tracks, deren erster 5 einzeln anwählbare Parts hat, "Mother Sun And The Other Son (Part I)" heißt und 25:12 Minuten lang ist. Unter ‚B' ist "Under The Ardent Sun" mit 20:19 Minuten Länge und 4 Unterparts gelistet. Der 10. CD-Track ist - mhm! - ein ganz unauffälliger Hiddentrack?
Gleich von Beginn an erinnert mich der ‚abgefahrene' Sound der Combo in seiner anarcho-punkigen Radikal-Attitüde an die die einstige US-Punkkapelle Dead Kennedys. Nicht nur, aber vor allem im Gesang gibt es deutliche Parallelen. Jonas Wingens und seine Stimmvervielfältigung hat in so mancher Gesangslinie und in der Art seines wilden Schreigesanges Ähnlichkeiten zu Jello Biafra. Auch musikalisch haben ‚The Void' Last Stand' manche Punk-Idee im Spiel, mal in der Art des Gitarrespiels, in der abrupten Gewalt des aufbrausenden Themas, in der extremen Radikalität der plötzlichen Aufgefahrenheit und anarchischen Brutalität der Intonation eines Themas. Zudem sind Parallelen zu Captain Beefheart erkennbar, zu dessen harscher, Freerock-gewaltiger Soundanarchie und blechernen Anti-Kunst-Klangmethode.
The Void's Last Stand haben indes eine Themenvielfalt und einen quasi progressiven Abwechslungsreichtum in ihren drahtig-nervösen Songs, dass von Punk an sich nicht zu sprechen sein kann. Immerhin passt die punkige Attitüde gut ins Soundbild, manche Idee ist harsch und schräg, kommt mit einem Anti-Kunst-Charisma aus den Boxen, das alle Stile von Blues über Jazz bis Rock und (auch, Elektronik, düster spacig blubbernd und) Ska wie Reggae alles einsammelt, was am Wegesrand lungert, und daraus einen verdrehten, frohsinnigen, überaus wilden, unzähmbaren Sound bastelt, der radikale Komplexe nicht auslässt, eher in Themenbrüchen als in Themenentwicklung lebt und aus der Dynamisierung der vielen Kompositionspartien unendlich entwickelbare Minuten spinnt, die nicht und niemals einfach entschlüsselbar und nix eingängig sind und in ihrer Vielfalt stets nett überraschen.
Der Sprechgesang, schon mal was länger am Stück aktiv, kann nerven!
Indes, der Sound ist kein Progressive Rock und wird Freunde abgefahrener Extremklänge auf die Geduldsprobe stellen. Vielleicht werden Punkfans lange Songs anfangen zu lieben, weil sie hier die kompromisslose Schlagfertigkeit finden, die ihrem kulturellen Wesen nahe ist.
Wie dem auch sei, das Teil haut rein und wird für Fragezeichen in so manchem Fan-Hirn sorgen, das nicht weiß, ob wie was warum unter Umständen dunkel mit dem Fuß wippt (was gar nicht geht).
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