The KØP "The Köln-Oslo-Protokoll" (künstlersache, VÖ: 05.06.2009)

Wann Klänge Musik sind und nicht Lärm oder Stille, Anstrengung oder Leere, Störung oder Wahrnehmungslosigkeit, hat mit allgemeinem Melodieverständnis nichts zu tun. Das wäre Sache des geübten Ohres, der Orientierung auf einen Stil, des Verständnisses für Gewohntes oder Ungewohntes.
Klänge können immer Musik sein, mehr oder weniger. Das "Köln-Oslo-Protokoll" ist starke Musik, in seinen 8 Tracks eine Mischung aus Geräuschkulisse, elektronischen Sounds und einem gefühlten Hauch Jazz. Sehr frei, abstrakt und radikal legt es das Ensemble nicht darauf an, brutalste Lautstärke oder radikalste Free Noise Klänge zu entwickeln. Matthias Mainz (tr, processing), Alex Gunia (extended g), Anders Tveit (b, electr), Terje Evensen (dr), Joker Nies (bent circuits) und Hannes Hoelzl (Laptop) spielen. Mit Klängen, Klangeindrücken, Ideen, die aus dem Stehgreif entstehen, oder der gemeinsamen Klangerforschung. Die Instrumente geben nicht in herkömmlicher Weise Klänge wieder, doch, die Trompete Matthias Mainz' ist partiell auszumachen. Das Kratzen an Gitarrensaiten und das eher schemenhafte Wirken der Schlagzeugbearbeitung machen das KØP zu einer filmmusikartigen, spannenden Angelegenheit, in der nicht voraussehbar ist, was als nächstes wohl passieren möge. Es bedarf gewiss einiger Eingewöhnung in diese abstrakte, atonale Klangwelt, die eher elektronisch ist als Jazz und weit von "normaler" Electronic entfernt.
Die unwillkürliche Verspieltheit der Klänge hat etwas, ja, Niedliches, Unbekümmertes. Gewiss sitzt eine ernsthafte Band an wirklichem Instrumentarium, gemeinsam zu großem Klangeindruck zu finden, der nicht für die Band allein, das wäre leicht, sondern für ein Publikum interessant und nachvollziehbar ist. Was es auch ist. Aber wie viel mehr überwiegt der Eindruck, das erwachsene Menschen am Strand Kleckerburgen bauen und so konzentriert in das Geschehen versunken sind, dass die Welt nebenher versinkt. Als Hörer kann der Effekt ebenso eintreten, jedoch nicht als Folge von Konzentration, sondern von Wegdämmern. Wenn dann plötzlich die Realität zurückkehrt und der Sound noch immer im Raum steht, der Track nicht ausgelaufen ist und die Band die in ihrer Höchstform aufgepeitschten Klänge präsentiert, verblüfft das quasi chaotische Geschehen durch seine überharmonische Schönheit und seine pure, wesentliche, schlichte Existenz.
In den Worten meiner Kinder: Geil, Alter.

kuenstlersache.com
VM





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