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The Custodian „Necessary Wasted Time“ (Laser's Edge 2013)


Bei jedem Schreiben einer Rezension geht mir der Titel der nun zu besprechenden CD durch den Kopf; glücklicherweise schalte ich dabei auf Durchzug und schwupp ist dieser Gedanke wieder zurück ins ko(s)mische Feld entfleucht – Gedanken folgen der Aufmerksamkeit. Dieser aus der Bewusstseinsforschung stammende Satz legt eine Aufmerksamkeitsschulung nahe. Woher kommen meine Gedanken? Waren bzw. sind sie schon da, bevor sie von mir gedacht werden? Falls ja, wer oder was hat sie gedacht oder gemacht oder gesacht? Es - wer oder was ist „es“ nun schon wieder - sollte jetzt aufhören in meinem Kopf zu reden, denn ich muss beim Rezensieren aufmerksam der Musik lauschen. (Fräulein Sophie, muss ick?) Kann man an etwas (völlig anderes) denken, wenn man versucht seinen Empfindungen während des Aufsichwirkenlassens von Klanggebilden Ausdruck zu verleihen? Ich denke mal, ich sollte mich jetzt an meine eigentliche Aufgabe machen, sonst mutiere - Muh-Tiere, Mut-Ire oder Mutti-ihre - ich noch zu einem unzeitgemäßen Mann, der sich soliloquistisch die Welt erklärt, dass wir uns beispielsweise selbst so nah sind, dass wir, um Pein und Peinlichkeiten zu verbergen, Masken tragen, mit denen wir die Leben anderer Menschen führen, anstatt zur Sonne in uns aufzubrechen, um auf diese Weise den schlafenden Gott zu erwecken. Wie dem auch sei, Richard Thomson (Schlagwerk, Stimme, Synthesizer), Michael Pitman (Bass, Stimme), Owain Williams (Gitarre) und Nariman Poushin (Gitarre) spielen einen Prog Rock, der sich immer wieder auf der Meta-Ebene umhört, um andächtig den goldenen 70er Jahren zu lauschen, dies aber grundsätzlich mit Blick nach vorne tut und dabei sehr umsichtig Einflüsse aus dem Psychedelic Rock, Post Rock, Soul oder Blues verarbeitet, so dass es selbst ut(h)eralen Pendragonten oder lat(t)eralen Progmathikern nicht weh tut. So richtig die Post geht hier zwar nicht ab, denn es gibt keine Donner-Beats und Gitarren-Gletscher, dafür aber ein Mehr aus warmen Siliziumdioxid-Körnchen, welche den gesamten Körper, der in einem Sa(nd)madhi-Tank zu liegen scheint, einhüllen – Sizilium! Für mich entfalten sich die Kompositionen dieses Albums zu akustischen Mandalas, in denen man sich verlieren kann. Doch es gibt keine epischen Longtracks; der Titelsong ist mit knapp neun Minuten Dauer das längste Stück. Nix wars mit eskapistischem Rezipieren des sonoren flux-us. Ich stelle mir gerade eine Bühnenpräsenz der Band mit ganz vielen Kerzen als einzige Lichtelemente vor – die Musiker werden zu Erzählern geschichteter Töne, die um ein Feuer, das in uns allen brennt, tanzen. Dabei wirbelt ein Gefühls-Kaleidoskop all den Staub, der uns auf der Seele liegt, behutsam auf und saugt ihn mittels der Bewegung zur Musik nach außen ab – ein kathartischer Effekt, der über das Medium Schwingung erzeugt werden kann. Ein anderer daraus resultierender möglicher Effekt ist die Tranceinduktion; hierfür sollte die Band das nächste Mal mindestens einen auf Ostinati basierenden Longtrack von mindestens einer halben Stunde Dauer schreiben. Wir Westler, die wir uns nicht als Restler, sondern eher als Wrestler den alltäglichen Stress (Wer macht eigentlich den ganzen Stress? Huch, schon wieder so ein Gedanke, den man nicht denken darf, oder etwa doch...) um die Ohren schlagen (lassen), sollten uns in der Tat, sprich in diesem Kontext durch das Wiegen im Takt, regelmäßig ent-spannen. Warum sonst heißt Schaukelstuhl im Englischen wohl „rocking chair“?

facebook.com/WeAreTheCustodians
Frank Bender



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