Tetragon "Strech" (Garden of Delights 2009)

Die 1971 in Osnabrück gegründete Band Tetragon brachte es zu Lebzeiten auf nur eine LP. Im Mai des Jahres spielten Hendrik Schaper (keys, voc), Jürgen Jaehner (g), Rolf Rettberg (b) und Joachim Luhrmann (dr) "Nature" ein. Tetragon war aus Trikolon hervorgegangen, die 1969 "Cluster" veröffentlicht hatten (beide Alben sind auf CD aufgelegt worden). Die aktive und kreative Band legte noch im Dezember 1971 mit neuen Aufnahmen nach, die jedoch nicht auf LP raus kamen und nun das erste Mal ins grelle Licht der Öffentlichkeit blicken.
Die 5 überwiegend langen Songs auf "Stretch" sind energisch, dynamisch und sehr lebhaft. Jürgen Jaehner bringt mit schneidendem Ton die erstaunlich satt und locker klingenden Hardrock-Gitarrenklänge ein, Hendrik Schaper wühlt sich durch die improvisativen Momente der Songs und macht die Songs groß und weit, holt progressive Verspieltheit in die straff rhythmisierten, knallharten und deftig eingetrommelten Stücke. Joachim Luhrmann beweist Vitalität und Verspieltheit wie Kraft und Druck, er trommelt energisch und lässt so manches Break illuster die kernige Struktur aufbrechen, während Rolf Rettberg mit seinem Bass die hardrockige Bluesbasis der Songs mit Gewicht und Tiefenschwere auslotet. Gesang gibt's nicht, die Songs sind rein instrumental und obschon die Band ihre Ideen in langen Minuten austobt, wird es nie langweilig oder öde, hier sind Jungs am Werk gewesen, die mit Spielfreude und Inspiration direkt und vital rocken.
Opener "Snowstorm" ist als von Schaper/Jaehner komponiert angegeben. Beide Hühneraugen zugedrückt ist die als Colosseums "Valentyne Suite" ins Ohr wollende Nummer im improvisativen Bereich eine Variation des wohlbekannten Themas, ohne das Vorbild wäre das Stück gewiss ganz anders geworden - oder niemals entstanden. "Listen here" ist ein ellenlanges Thema mit Soli der Gitarre und der Orgel, das den meisten Langmut einfordert, Fans der Spielart aber illuster unterhält und nicht an Schwächen leidet. "The light" hat ein kraftvolles Jazzrock-Motiv, das sich balladesk entlädt und solistisch gut ausgebaut ist. Die Crew Luhrmann/Jaehner bekommt nachträglich den Anerkennungsorden für ihre herzerfrischend rasante Arbeit. "Hovering stones" ist die gewiss komplexeste Nummer des Albums, wieder Colosseum sehr nahe, dieses Mal nicht so konkret wie der Opener. Eine erstklassige Nummer mit sattem Rock. Am Ende und doch längst nicht zuletzt holt die Band noch den "Dragon song" des illustren Gitarristen John McLaughlin ins Programm. Die intensive Vor-Mahavishnu Orchestra-Komposition entpuppt sich in dieser Version wie die anderen Stücke des Albums als in erstklassigen Händen und wird von Tetragon energisch mit dem besonderen Etwas gespielt.
Tetragon hatten kein Interesse an vorlautem billigen Pop, sammelten Inspiration in Jazz, Rock und Klassik und entwarfen intensive Songs mit gutem, komplexen instrumentalen Ausbau, die in gutem Klang erhalten geblieben sind. Die Band klingt kein Stück krautrockig, hatte ihren eigenen, jazzinspirierten Stil. Spätes Glück für Jazzrock-Süchtige, dass nun die fabelhaften Aufnahmen veröffentlicht wurden.
1972 schied Rolf Rettberg aus, Norbert Wolff ersetzte ihn. In dieser Besetzung spielten Tetragon ein einstündiges Demoband ein, wovon ebenfalls nichts veröffentlicht wurde - hoffentlich folgt dies noch auf CD. Enttäuscht löste die Band sich 1974 in ihre Bestandteile auf. Im Jahr darauf gründete Hendrik Schaper Out, die dem Mahavishnu Orchestra nacheiferten. Auch diese Band machte Aufnahmen, und auch davon wurde niemals etwas veröffentlicht. Die Hoffnung bleibt. Im Jahr darauf sah Klaus Doldinger die Band live und war so begeistert, dass er Hendrik Schaper für Passport anheuerte, wo dieser verblieb, bis er in den 1980ern bei den Großen der Popszene seinem Handwerk nachging.
Story und Bilder wie üblich bei Garden of Delights ausführlich im umfangreichen Booklet.
Tipp!

hendrikschaper.de
milestone-mailorder.com
VM





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