Tésis Ársis "Ilusões" "Estado de Alerta Máximo" (M&C Studio 2002, 2005)

Tésis Ársis ist das Einmann-Unternehmen des brasilianischen Gitarristen und Keyboarders Anderson Rodrigues. Auf beiden CDs lebt er seine Liebe und Hingabe zum Progressive Rock in epischen Kompositionen aus. Bis auf einen Track auf "Ilusões" sind alle Mini-Epen über 10 Minuten, teils weit darüber, lang. Aufgewachsen mit der klassischen Musik seiner Mutter und Großmutter in Rio de Janeiro, bekam er im Alter von 10 Jahren seine erste Akustikgitarre, mit 12 Jahren spielte er in einer Band Schlagzeug. 1972 zog seine Familie nach Brasília um, wo er begann, zu komponieren, auf die Musikschule ging und klassische Gitarre studierte. 1980 kehrte Anderson Rodrigues nach Rio de Janeiro zurück, um an der Villa-Lobos Music School klassisches Piano, Musiktheorie und Harmonielehre zu studieren. Hier begann sein Interesse an Progressive Rock, Hardrock, New Age und Popballaden. Erst 1989 kaufte er sich seine erste elektrische Gitarre und spielte mit seiner Band, in der sein Bruder Schlagzeug spielte, Symphonic Rock.
Die Band jedoch ging auseinander und Rodrigues konzentrierte sich auf seine Soloarbeit. Im September 2002 veröffentlichte er seine erste CD "Ilusões", im Mai 2005 "Estado de Alerta Máximo".
Die klassisch geprägten jeweils 5 Tracks auf beiden CDs sind sehr symphonisch und, typisch für die südamerikanische Prog-Szene, lieblich und beschwingt. Rodrigues spielt Gitarre und Keyboards, wobei er bei den Keys auf moderne Synthesizersounds setzt. Der Basspart wurde ebenfalls vom Keyboard übernommen, das Schlagzeug ist programmiert.
Die Programmierung ist erstaunlich komplex und durchaus nicht von schlechten Eltern. Gewiss ist ein Schlagzeuger aus Fleisch und Blut nicht durch Programmierung zu ersetzen, doch was hier zu hören ist, hat trotz Statik und des typisch synthetischen Klangeindrucks doch sehr viel Variation und Komplexität. Allein die Arbeit am Rechner dürfte viele Stunden gekostet haben.
Die Keyboardsounds nehmen den weitesten melodischen Raum ein. Stets sehr harmonisch und voll im Schönklang schwelgend, breiten sich klassisch inspirierte Themen aus. Die Arrangements sind keineswegs von der Stange, stark von klassischer Musik geprägt und wohl seinem Studium zu verdanken. Die elektrische Gitarre ist nicht riffbetont gespielt, sondern melodisch. Das Gitarrenspiel ergänzt den Sound der Keyboards harmonisch, hat einen Tick schräger und disharmonischer Schärfe, was den Tracks unbedingt gut tut. Überhaupt hat Rodrigues ein Faible für disharmonische Eckpunkte, in denen die einzelnen Themen der symphonischen Epen verknüpft sind.
Nichts an den 10 Songs beider CDs ist von größerer Komplexität oder Vertracktheit, alles glänzt im symphonischen Breitwandsound, der viel Lyrik und Melancholie transportiert. Wenn der fette Bombast auch nicht kitschig ist, hat er doch etliches an Süße und Lieblichkeit. Wer das mag, bekommt mit diesen beiden CDs das volle Programm schweren brasilianischen Symphonic Rocks.

tesisarsis@yahoo.com.br
VM



Zurück