John Surman "Way Back When" (Cuneiform Records 2005)

Die 6 Tracks auf "Way Back When" wurden am 07. Oktober 1969 in den Tangerine Studios in London, England, aufgenommen. Der Multiinstrumentalist, Komponist, Improvisator, bekannte und begnadete John Surman (bar/s saxes), John Taylor (e-p), Brian Odgers (b) und John Marshall (dr), allesamt Freunde, hatten gemeinsam bereits das 4-teilige "Way Back When" eingespielt, als sich im Laufe des Abends Mike Osborne (alto sax) dazu gesellte. Gemeinsam spielte die Truppe zwei weitere Songs ein: "Owlshead" und "Out And About". Schon Mitte Oktober, kurz darauf, verließ John Surman England, um mit Barre Phillips (b) und Stu Martin (dr) in Belgien das sehr erfolgreich werdende The Trio zu gründen.
Die Tangerine Studios wurden kurz nach den Aufnahmen geschlossen und in dem ganzen Durcheinander der Auflösung des Studios gingen die Bänder verloren. Es gab einige Testpressungen, aber das war alles. Glücklicher und überraschender Weise wurden die Masterbänder im Jahr 2003 wieder gefunden. John Surman meint, dass die Aufnahmen aus Zeitgründen nur wenig abgemischt worden waren. Jetzt wurden die Tracks remastert, sind aber akkurat der Klang der 60er: raue, frische Musik, ungemein dynamisch und kraftvoll und von berstender, vitaler, ansteckender Lebendigkeit. Der letzte Track "Out And About" war auf den Masterbändern nicht mehr vorhanden, so dass er von einer der Testpressungen übernommen wurde. Klangtechnische Einbußen gibt es dabei nicht.
Insgesamt ist der Klang nicht aufgemotzt, sondern spiegelt damalige technische Möglichkeiten und die Vorstellungen der Musiker von typischem, organischem Klang wieder. Die Aufnahmen sind sehr gut anhörbar und bringen gerade mit großen, guten Boxen ein hervorragendes, kraftvolles Tonbild, das satt und selbstbewusst den Raum füllt.
"Way Back When", knapp 22 Minuten lang, hat ein bezauberndes Motiv, zu dem die Band in den 4 Parts immer wieder zurückfindet, um sich nach Rückbesinnung auf die Komposition in erneuten intensiven Improvisationen zu vertiefen. John Taylor ist ein grandioser Pianist, sein Spiel am elektrischen Piano erinnert an frühen Jazzrock, an Nucleus und die Canterbury Szene. Ebenso Bassist Brian Odgers, dessen melodisches, ausdauerndes und begnadet intuitives Bassspiel nur grandios und einfach hinreißend ist. John Marshall trommelt vitalen Jazz, hat aber gewiss damals auch Rock gehört und sich indirekt davon beeinflussen lassen. So ist sein Spiel härter, rhythmisch konkreter als Swing und historisches Jazz-Drumming, aber immer noch von differenzierter Aufgebrochenheit und flexibler Dynamik.
John Surman bringt die Töne seiner Saxophone fließend, sphärisch ein und gibt seinen Mitstreitern weiten improvisatorischen, solistischen Raum. Doch wenn er selbst zum Solo ansetzt, vergräbt er sich tief ins Geschehen und arbeitet sich konzentriert und leidenschaftlich durch die Variation des Sounds. Die beiden letzten Songs, zusammen über 22 Minuten lang, haben auf Grund der Mitarbeit Mike Osbornes erhöhte Bläseraktivität. Die komplette Band engagiert sich intensiv und hat hohe Erfüllung im Spiel dieser Essenz, dieser Konzentration an vitalem, komponiertem und doch frei gespieltem Jazz. (Und wie gesagt, das alles nur an einem Abend, aus Spaß an der Freude…!!!)
Hier erscheint nichts gemacht und erdacht, sondern erspürt und intuitiv aufgenommen. Von spannender Intimität und verzahnter Zusammenarbeit ist das begnadete Spiel der Band. Die Energie der Musik kommt extrem gut aus den Boxen und lässt das aufgeregte Herz des Fans höher schlagen. Nicht nur Jazzfreaks sollten sich von der Produktion ansprechen lassen, wer den Beginn des Weges von Jazz zu Rock nachvollziehen will, sollte sich dieses traumhafte Stück Musik wieder und immer wieder anhören. Es könnte sein, dass dabei Leidenschaft erwacht!
Danke John Surman & Band, danke Cuneiform, danke dem Bewahrer und Hüter der Bänder.

cuneiformrecords.com
VM



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