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Stop Motion Orchestra "Instant Everything!" (Egg Helmet Records, 08.07.2014)


2014 ist ein gutes Jahr für Progfreaks. Bands und Alben ohne Zahl. Aller denkbaren Spielarten von schrägst bis geradest. Im großen Trubel der Plattenfirmen und Promocompanys gehen kleine Acts schnell unter, wenn sie nicht die Fühler ausstrecken und da es genügend so Seiten gibt wie Ragazzi, finden sich selbstgebastelte Musikkritiker (wie VM), die darüber berichten.
Und über diese Band ist unbedingt zu berichten. Wenn auf den ersten Blick (11 Songs, 43:20 Minuten - was ist mit langen Songs?!?) so einer Macke der Szene in den Allerwertesten getreten wird, eröffnet sich mit dem Anfang des ersten Songs bis zum Ende des letzten, dass hier kein Gran Musik verschleudert wurde und nichts zu vermissen ist. Zuerst einmal: die Band aus Austin, TX, USA, Earth spielt rein instrumental, was verschwendete Zeit für Texte und Gesang von vornherein wegrationalisiert und damit den musikalischen Inhalt umfangreich aufwertet. Und dann ist da vor allen Dingen dieses: Idee. Kompositorische Idee. Alden Doyle (vi), Louk Cox (ss), Mohadev (g), Joshua Carruth (dr) und Henny Chou (synth b) beweisen Stil, wenn sie emotional hinreißende Tracks intonieren, wie etwa den Titelsong, in dem Geige, Saxophon und Gitarre einen herzhaften Reigen tanzen, der von fabelhafter Trommelarbeit untermauert wird, in der es vital und differenziert zur Sache geht, ohne dass der Trommler nun der Techniker vor dem Herrn (oder der Dame) wäre. Allesamt gute Handwerker, die vertrackt schräge Songs zum Besten geben, haben sie sich gute Vorbilder wachsen lassen: obscure 70s Prog, Weirdo 80s Pop, Free Jazz. Als Bands listet das Orchestra: Henry Cow, Magma, Cardiacs. Zwar ist das Stop Motion Orchestra in diesem Vergleich eher poppiger, lustiger, flott funkiger, eingängiger, aber keineswegs weniger inspiriert bei der Sache.
Das Quintett hat ein Händchen dafür, ausgefallene Ideen eingängig klingen und andererseits aus relativ schmalen Kompositionen allerhand Ausgefallenes und Extravagantes wachsen zu lassen. Selbst wenn ihnen die Emotionen durchgehen und etwa "Car Chase" zwischen Free Jazz, Funk Pop und Humor Frickeleinheiten (mit düsteren Inlays) vitale Blitze schießt - hier macht alles Spaß. Die dunkle Seite der Balladenmacht ist ebenso schräg drauf wie die rasanten Blitzgeschwindigkeiten mit Überschussmotiven, wo die Songs für die besonders verrückte Spaßeinheit sorgen (mehrfach!).
Ihrs Coverversion von den Cardias: T.V.T.V. klingt punkiger, verrückter, wilder und inniger als die Cardiacs-eigene Version auf deren "Archive"-CD. More of that fun!
Immer wieder einmal kommt es vor, dass die Band eher im Midtempobereich unterwegs ist, keine Kilometer schrubbt und auch nicht vorhat, verrückteste Idee abzuliefern. Da gehen Jazz und Rock die Ehe ein, ohne die Welt anzuzünden. Und alles macht entspannt lässigen Spaß, weil der Sound so großartig wie angenehm ist. Nix Avantgarde. Ganz Gemütlichkeit (im extravaganten Stil, versteht sich). Zwar, ein zwar, könnte die Band auch mal ein paar Kohlen auflegen und deftiger zur Sache gehen. Aber viel der besonderen Energie der Dame mit Herrenbegleitung liegt in dieser entspannten Spielweise, die nie lasch oder lahm wird, und jeder Idee ihren Stempel aufdrückt. Da sind Reminiszenzen an Größen des Progressive Rock, des Jazzrock, Motive, die ich meine, anders schon einmal gehört zu haben, doch in dieser raffiniert gestischen Art, die Schöngeist so intelligent klingen lässt. Je öfter "Instant Everything!", und das war in den letzten Wochen vielfach, aus den Boxen kommt, umso mehr ist dabei zu erfahren. Zeitlos, hinreißend erfrischendes Stück Musik. Schön was los. Viel Humor und alles instantgesetzt.
Tut euch was gutes:

stopmotionorchestra.com
egghelmet.com
VM



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