Spock's Beard "Live" [DVD] (InsideOut Music, VÖ: 13.06.2008)

Spock's Beard haben es als Verlassene nicht ganz einfach. Auf der Bühne zu stehen und so zu tun, als sei da niemals jemand gewesen, der die Chose in Gang gebracht und durch stetig neuen Stoff am Laufen gehalten hätte, ist nicht leicht. Aber da steht die Band im "De Boerderij" im holländischen Zoetermeer und hat es drauf, mit komplexem Progressive Rock, knackigem Hardrock, hinreißendem Jazzrock und groovigen Popsongs die Meute vor der Bühne zu unterhalten. Klar haben sie es drauf, handwerklich. Es ist dieselbe Band, die seit 1995 10 Alben eingespielt hat. Der Kopf ist gegangen, der Körper geblieben.
Das Publikum geht gleich von Beginn an mit. Nach dem "Intro" folgt "On A Perfect Day", die Band beweist schnelle Finger und Spiellust. Doch als Keyboarder Ryo Okumoto das folgende "In The Mouth Of Madness" anstimmt, ist zu sofort zu spüren, was das Publikum da unten will. Die Hits, diese alten Teile, die komplex und eingängig, lebensfroh und dramatisch, vital und lässig sind.
Natürlich gibt es nicht am laufenden Meter alte Ware. Und die neue kommt auch gut an. Kein Wunder, sind Nick D'Virgilio (voc, dr, g), Dave Meros (b), Alan Morse (g, voc) und Ryo Okumoto (key) samt Schlagzeug-Gast Jimmy Keegan doch perfekte Musiker, nicht so die Stimmungskanonen, bis auf Okumoto, der einen Joke nach dem anderen leistet und für die gute Laune auf der Bühne zuständig ist. Nachwuchskopf Nick D'Virgilio wechselt zwischen Schlagzeug, Gitarre, Keyboards und Mikrophon hin und her. Auch wenn die Recken auf der Bühne sich nichts anmerken lassen, irgendwie haben sie die Patina des Verlassenseins. Das ist nicht an der perfekten und dynamischen Spielweise zu hören, die hat kein Manko und präsentiert eine ausgewachsene, grandios eingespielte Band. Sondern daran, wie matt sie auf der Bühne stehen und wie bedeckt sie sich im Kontakt zum Publikum halten.
Trotzdem macht es Laune, der Performance nicht nur zu lauschen, sondern auch zuzusehen. Die Gitarrensoli, der Mörderbass, das Traktieren der Keyboards - die Jungs verbiegen sich hinter ihren Instrumenten, die Hingabe an ihre Musik ist ihnen stets anzusehen. Sie tauchen ganz ein, konzentrieren sich auf die Performance und machen die Show locker und flockig.
Sie lieben, was sie da tun. Und das kommt auch rüber.
Gastschlagzeuger Jimmy Keegan steht Nick D'Virgilio in nichts nach und das heißt einiges. Immerhin ist D'Virgilio ein mit allen Wassern gewaschener und, nicht nur nebenher, begehrter Sessiondrummer, der sein Instrument zum Leben zu erwecken weiß.
Mir persönlich sagen die neuen Kompositionen längst nicht so zu, wie die der ersten drei Alben, da war die Band noch frisch und stilistisch nicht eingefahren, probierte sich und ging Risiken ein. Heute hat die Band eine feste Fanschar, die genau weiß, was sie bekommt. Jeder Fan kennt die Songs vom ersten Ton an. Wie Spock's Beard klingt nur Spock's Beard - jeder Nachahmer kann der Band nahe kommen, aber diesen ganz bestimmten Klang, diese ganz bestimmte Spielweise und das Sunshine-Feeling selbst der Komplexkracher ist eine ganz besondere Eigenart der Band. Vor oder nach der Krise.
Ganz nebenbei, oder besser eigentlich hauptsächlich: es gilt nicht stets, alles kritisch zu sehen und jeden Song zu hinterfragen, die Show ist unterhaltsam, gut aufgezeichnet, professionell geschnitten - Bild und Ton haben Dynamik und überzeugen auf der ganzen Linie. Der Mann an den Lichtschaltern hat ebenfalls ganze Arbeit geleistet.
Einzig, was mir gar nicht zusagt, ist die Kommunikation der Band mit dem Publikum zwischen den Songs. Nick D'Virgilios kindische Nicht-Rocker-Schreie sind einfach nur peinlich. Trotzdem, diese Show ist schlicht als Genuss gedacht. Und funktioniert auch so.

spocksbeard.com
insideoutshop.de
VM



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