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Sound on Survival "Live" (Henceforth Records 2005)
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Der freieste, abstrakteste verinnerlichte Ausdruck intimer, wilder, Energiegeladener Musik ist vor allem im Jazz zu finden, mal von Dixieland und anderen Festgefahrenheiten abgesehen. Da werden Instrumente zu Geliebten und die intensive Auseinandersetzung mit kraftvoller, eigenwilliger Komposition und lyrischer bis expressiver Improvisation kennt keine Grenzen.
Lisle Ellis streichelt und zupft den akustischen Bass, Marco Eneidi bläst das Alt-Saxophon, Peter Valsamis bearbeitet unentwegt die Felle seines Schlagzeugs. Das Trio arbeitet sich mit emotionaler, begnadeter Spiellust und, völlig ausgeliefert an die plötzliche Vitalität und hinreißende Kraft ihrer selbst gespielten Songs, großer technischer Finesse leidenschaftlich durch diese musikalische Tiefe.
Das geht in heißen Momenten bis in freitonalen Free Jazz, wo das Trio losgelöst die wildesten und dennoch erstaunlich logischen Passagen spielt, was sie selbst bewusst sicher nicht steuern, sondern organisch fühlen und mit technischem Geschick wiederzugeben in der Lage sind. Erregte Lautstärke und melancholische Stille liegen hier ganz dicht. Das Geflecht der Harmonien und die Klarheit der instrumentalen Töne verbinden das rasante Trio im Spiel sehr eng, verwachsen sie zu einer spirituellen Einheit.
Und dennoch, hört man konzentriert dem einzelnen Instrument zu, zeigt sich die virtuose und eigenständige melodische Kraft, bei allen drei Instrumenten. Das fundamentale Spiel reizt die Themen weit und intensiv aus. Es funktioniert im Einzelnen und im Ganzen.
Die 3 ersten Stücke sind in Amherst mitgeschnitten worden, Track 4 in Philadelphia. Die zusammen 77 Minuten zeigen ein sensibles Trio, dessen Soli und Gemeinklang mehr Offenheit und Intimität präsentieren, als das in der Rockmusik gemacht wird und vielleicht überhaupt möglich ist.
Die kompromisslose Ausgeliefertheit an die Musik, Sucht und Lust zugleich, und das immerwährende Spiel bringen die Musiker intellektuell und emotional weiter und tiefer in Musik hinein, als Musiker aus den meisten anderen Lagern dies überhaupt können und jemals durch eigenes Spiel erfahren. Jazz ist die intensivste Hingabe. (Klassik und Rock haben selbstverständlich ebenso ihre grandiosen Abgründe.)
Ellis, Eneidi und Valsamis beweisen mit ihrem Spiel keine technischen Besonderheiten, das vermittelt sich ganz nebenbei.
Sie zeigen ein tiefes Gespür für und ihre Lust darauf, diesen befreiten Modern Jazz zu spielen. Und sicher sind sie hocherfreut, dass es Leute gibt, die im Publikum sitzen und ihnen mit ebensolcher leidenschaftlichen Hingabe folgen. Ebenso darüber, klar, dass es Fans gibt, die sich ihren begnadeten Jazz auf dieser CD kaufen, um irgendwo auf der Welt, sei es noch so fernab, diesem Ensemblespiel, diesem starken Widerstand gegen den allgemeinen kulturellen Verfall zu lauschen. Dazu hier meine unbedingte Empfehlung.
marcoeneidi.com
lisleellis.com
valsamis.home
henceforthrecords.com
VM
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