Sound Liberation "Open Up Your Ears And Get Some" (col legno 2008)

Das eigentlich für seine neumusikalischen Veröffentlichungen bekannte österreichische Label col legno beschreitet auch in anderer Hinsicht neue Wege; so widmet man sich seit einiger Zeit auch im "U(m)-Feld" der Pop-Musik überaus kreativen Projekten, bei deren Genuss man bisweilen vor Staunen umfällt, wenn man sich unvorsichtigerweise zum Tanze auf glattes Parkett begeben hatte. Beteiligte an diesem Crossover-Feuerwerk sind Gene Pritsker (Gitarre, Rap, Piano), Dave Gotay (Cello, Rap), Chanda Rule (Gesang), Charles Coleman (Gesang), Greg Baker (Gitarre), Matt Fieldes (Bass), David Rozenblatt (Schlagzeug), Franz Hackl (Trompete), Jen Lane (Gesang, Flöten), Ninni Lindh (Gesang), Vesko Gellev (Geige), Mychio Suzuki (Klarinette), Pablo Rieppi (Percussion), Peter Krysa (Geige), Edmundo Remirez (Sitar), James Papa Gotay (Rap) und Sebastian Iziya Pritsker (Gelächter). Gegen Sound Liberation sind selbst Mike Pattons Kollaborationen zahme Monsterchen, agieren die Klangbefreier doch weitaus freier; allerdings mittels der meist gefälligen ternären Rhythmik auch durchaus tanzbar, wobei Disco-Mäuschen aus dem Häuschen geraten könnten, da sich die die Grooves begleitende Melodik nicht immer als solche für sie erweisen dürfte. (Kakophon im ureigenen Sinne wird es dabei allerdings zu keinem Zeitpunkt.) So treffen Belcanto-Stimmen und Rap-Barden auf Einsprengsel aus Hip Hop, Klassik, Klezmer, Jazz, Rock, ja selbst aus dem Heavy Metal und ringeln sich in Reihen, dass sich sogar der ernsteste und mental gut abgehangene Musikwissenschaftler gelegentlich eines Schmunzelns nicht erwehren kann - zumindest, wenn er sich unbeobachtet wähnt... Die Texte sind ähnlich gehaltvoll wie die Musik und entbehren nahezu völlig der üblichen Klischees. Überhaupt ist es höchst erfreulich mitzuerleben, wie viele echte, neuerdings wieder höchst originelle Bands fröhliche Urständ feiern, die eben nicht dem Cyberspace entstammen bzw. billig zusammengecastet sind. Auf diese Weise wird der oftmals beschworene Niedergang des musikalsichen Niveaus wirkungsvoll konterkarriert. Noch besetzen derartige Veröffentlichungen kleine Nischen bei feinen Firmen, aber der allgemeine Hang zur Eigenwilligkeit ist unverkennbar. Den Pionieren sei bar allen Unkens zugerufen: "Weiter so, lasst Euch nicht unterkriegen. In einigen Jahren setzt Ihr die Trends!" Gruppierungen wie Sound Liberation oder auch Coppelius gehört die Zukunft, die bereits begonnen hat. Frohlocken ist angesagt, selbst wenn man (an) eine(r) Glatze trägt.

col-legno.com

Frank Bender



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