|
Soft Machine "Backwards" (Cuneiform 2002)
|
Was kann aus einem Samstag werden, der mit Supertramp´s "Breakfast in America" beginnt? Einer Platte, die ich seit circa 20 Jahren nicht gehört habe und die mich plötzlich glauben macht, dass Popmusik doch nicht so ein weltumspannend-nervend-blödes Nichts ist? Glaubt ihr, dass Rick Davies und Roger Hodgson weniger intellektuell dachten, als sie anfingen, Musik zu machen? Stellt Euch vor, dass Mike Ratledge und Robert Wyatt nicht auf Hugh Hopper, Elton Dean und Nick Evans, sondern auf die beiden Supertramp-Könige gestossen wären - würden wir die großartige Qualität der Canterbury-Jazzrocker Soft Machine nie erlebt haben? Wären letzten Endes gar Ratledge und Wyatt zu Pophelden geworden? Oder würden Davies und Hodgson der Kreativität die Geschmeidigkeit gegeben haben, die Soft Machine zu Allerweltshelden gemacht und sie irgendwann zum Pop korrumpiert hätte? Sicher, es ist nicht so gekommen, aber ist das nicht eine interessante Frage? Tausendfach variierbar?! Die Intention der Musiker könnte unterschiedlicher nicht sein, um so wahrscheinlicher die Möglichkeit, dass die gegenseitige Inspiration, gemeinsame Kommunikation und persönliche Auseinandersetzung zu ganz anderen Zielen geführt hätte... "Backwards" als nie zur Veröffentlichung vorgesehener Nachlass, nur dank heutiger Technik in gutem Klang zu erfahren, ist ein weiterer fabelhafter Beweis für die Homogenität der fragilen Musikschmiede Soft Machine. Es ist für uns Hörer letztlich egal, welche Personen hinter der Musik stehen, doch die Personen machen die Musik und das Aufeinandertreffen dieser Konstellation von Musikern, Komponisten und wilden, freidenkenden und brutal und überbordend ausschürfenden Intellektuellen in gerade dieser Konzeption macht den gemeinsamen Geist dieser aggressiven und im gleichen Moment hauchdünn zarten und im höchsten Maß inspirierten Klänge aus. Rick Davies und Roger Hodgson fanden einen anderen Weg, ihre zweifelsfrei amüsanten und unterhaltend spannenden Songs in ein Kleid zu transponieren, dass die erwachenden und stark bestimmenden Gefühle junger Fans auf frappierende Weise umsetzen konnte. Beide Komponisten hätten in ihrer Entwicklung einen anderen Ausdruck gefunden, wären sie Soft Machine´s geworden. Doch gut, dass Aller unterschiedliche Inspiration und flüssige Musiksprache getrennte Wege fand. Nie wären das hübsche "The Logical Song" und der brausende "Take The Long Way Home" (oder frühere Stücke) mit den abstrakten "Facelift", einem frappant improvisierten und kopflastig fragmentalisierten "Moon in June" vereinbar gewesen. Alles wäre anders geworden. "Backwards" erzählt die Geschichte der frühen Generation von Soft Machine in einem Takt, der noch nicht so "alltäglich", nicht so galant ist. Aber in einer in dieser Form nicht zu steigernden Intensität, die mich Tränen verlieren heißt. Gerade das eröffnende "Facelift" in einer sehr harten, schrägen Version, weniger jazzlastig denn rockbetont, was sich in den Soli scharf umkehrt. Mike Ratledge fährt mit seinem obskuren elektrischen Piano durch den Song wie ein Eisbohrer durch die Arktis. Die folgenden Stücke "Moon in June", "Ester´s Nose Job", noch einmal ein mit 8 Minuten kurzes "Facelift" und das Fragment "Hibou Anemone And Bear" sind ähnlich gelagert. Alle Songs wurden im November 1969 aufgezeichnet, in großer Besetzung mit Mark Charig, Lyn Dobson und Nick Evans neben Elton Dean, Hugh Hopper, Mike Ratledge und Robert Wyatt; grandiose, virtuose Auszüge einer inspirierten Band. Schließlich folgt noch einmal "Moon in June" in einer über 20 Minuten währenden Version, die der späteren Robert Wyatt - Intention Ausdruck verleiht. Diesmal nur Hopper, Ratledge und Wyatt im Trio lassen das Stück zart und licht beginnen, ein wenig wie frühe Pink Floyd-Psychedelia, mit Wyatts Gesang. Bis es sich nach langer Songdienlichkeit steigert und Ratledge´s bohrender Pianowucht als Basis andient. "Backwards" ist gewiss ein sehr interessantes Album, weil es die frühe Band in seiner jugendlichen Aggressivität zeigt, sehr vital und doch intellektuell verschroben. Jeder Samstag kann mit Soft Machine gut werden. Supertramp können das sicher auch. Nach dem immer gültigen Shakespeare: "Wie es Euch gefällt". Was euch entzündet, entscheidet ihr selbst. Soft Machine müsst ihr konzentriert gehört haben.
cuneiformrecords.com
VM
Zurück
|
|