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(Ambrose) Slade
"Beginnings/Play It Loud" (1969/1970)
"Slade Alive! - Slade Alive Vol. Two - Slade On Stage - Alive At Reading '80" (1970/77/80/82 - 2CD)
"Slayed?" (1972)
"Old New Borrowed And Blue" (1974)
(Salvo/Union Square Production 2006)
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Slade haben tausende Stempel bekommen. Da war von "Arbeitslosenklamaukgetöse" für Typen, die auf Fußball, Puppen und Bier stehen die Rede. Ein gelegentlicher 3-Minuten-Extrakt für die Party galt als unterhaltsam, frisch und frech. Die "derben Amüsier-Riffs" ihres britischen Goodtime-Rock war ohne technischen Aufwand, das blieb bis zum Ende 1987 so, als die "Radau-Rentner" die Gitarren ausstöpselten und in den Liegestuhl umsattelten.
Die Story der Band geht ins Jahr 1964 zurück. Dave Hill (g, voc) und Don Powell (dr) spielten in The Vendors. Daraus wurde 1965 The In-Betweens. Noddy Holder (g, voc), der von Steve Brett and The Mavericks kam, stieß hinzu. 1966 brach die Band auseinander und Hill, Powell, Holder und ein weiterer Typ aus Wolverhampton namens Jim Lea (b, voc, key, vi) gründeten Ambrose Slade. Unter dem Namen brachte das Quartett 1969 die LP "Beginnings" raus. Enthalten waren neben einigen eigenen Stücken Coverversionen von den Beatles ("Martha My Dear"), Marvin Gaye ("If This World Were Mine"), Steppenwolf ("Everybody's Next One"), Ted Nugent ("Journey To The Centre Of Your Mind") und gar Frank Zappa ("Ain't Got No Heart"). Stilistisch lagen Ambrose Slade irgendwo zwischen beatleskem Schönklang, hartem Rock und Ska. Noch waren die Jungs auf Image-Suche, hatten lange Haare, zeigten Hippie-Einflüsse in bunten Klamotten und der Interpretation des Steppenwolf-Klassikers "Born To Be Wild" (der immer wieder im Live-Programm der Truppe aufkreuzte).
Ein Jahr später zeigten sich "Slade" als Skinheads mit kurz geschnittenen Haaren, Nagelschuhen, Nietenjeans und einem aggressiveren, billigen Ska-Rock-Sound. Der vordergründig aggressive Auftritt verfehlte jedoch seine Wirkung. Clubbesitzer weigerten sich, die Band auftreten zu lassen, weil sie Schläger-Publikum fürchteten. Chas Chandler, Manager der Truppe, der einst bei den Animals Bass gespielt hatte und Jimi Hendrix vertreten hatte, riet der Band zu einem neuen Look. Schon 1972 zeigten Slade sich wieder mit langen Haaren und im Glitter-Outfit. Sie waren im Glamrock angekommen, den sie ab sofort mitbestimmen sollten.
Slade wurden zur Single-Band mit extremem Erfolg. Ständig waren Songs der Band in den UK Charts, während die USA den Briten die kalte Schulter zeigten. Ihr erster Hit war "Get Down And Get With It", ein Covertrack von Bobby Marchan, den auch Little Richard bereits verarbeitet hatte. Der billige Poprock auf einfachstem Rhythmus, mit harten Gitarren, simplen Riffs und pompös-hartem Gesang war gut kalkuliert. Die Erfolgsschiene der Hits hielt quasi die ganze erste Hälfte der 70er hindurch an, bis der Erfolg gegen Mitte des Jahrzehntes nachließ. Doch in den frühen 1980ern waren Slade wieder da, spielten nunmehr an Van Halen angelehnten Glam-Metal für eine neue Verbraucher-Generation.
1973 veröffentlichten Slade ihr wohl erfolgreichstes Album (wenn die Alben auch jeweils nur mit Abstrichen erfolgreich waren, Slade waren als Single-Band erfolgreich, die Alben zeigten deutliche Lücken, Längen und Schwächen). "Slayed?" hat reihenweise Hits drauf, auch eine Coverversion von Janis Joplins ("Move Over"). Bunte Kids liefen mit Transparenten, auf denen "I've been Slayed!" stand, vor den Konzerthallen herum, in denen gleich die Band ihrer Träume für Krach und Radau sorgen sollte. Die 1974er LP "Old New Borrowed And Blue" war etwas ambitionierter, ein Jahr später wurde die Band in einem Film namens "Flame" porträtiert (zu dem es auch einen Soundtrack gab). Aber auch "Old New…" war nur eine weitere Ansammlung von Hits und wenigen ausgereiften Stücken.
Die meines Erachtens nach schönsten Songs der Band sind (von "Beginnings"): Genesis (das später als "Know Who You Are" erneut aufgenommen wurde), Roach Daddy, Ain't Got No Heart, Pitty The Mother, (von "Play It Loud"): Dapple Rose, One Way Hotel, (von "Slayed?"): Move Over (und von "Old New Borrowed And Blue"): Just A Little Bit, Find Yourself A Rainbow, Don't Blame Me und Everyday sowie der Bonustrack vom letztgenannten Album, "Kill 'Em At The Hot Club Tonite" - das sind entweder wunderbare beatleske Schnulzen oder simple Hardrockkracher, die in ihrer Eingängigkeit kaum zu überbieten sind.
Bei den Konzerten war das etwa 16-jährige Publikum (Noddy Holder) vollkommen enthusiastisch. Noddy Holder hat ein extrem lautes, hartes Stimmorgan, mit dem er die versimplifizierten Texte (noch ein Markenzeichen der Band, die Songs schon mal "Gudbuy T'Jane" oder "Mama Weer All Crazee Now" nannte) ins Mikro brüllte. Die Atmosphäre der Konzerte ist auf den Live-LPs gut nachzuvollziehen. Holder schreit dermaßen wild, dass die Lautsprecher Mühe haben, die überaus aggressive Stimme transparent wiederzugeben. Die 4 Live-Alben sind zu einer 2CD zusammengefügt, jeweils 2 LPs auf einer CD, in einer Digi-Box bunt und stilecht untergebracht. Live spielten Slade deutlich härter als auf den Radiokanal-Studioversionen, oder aber sie brachten ihre Schmachtfetzen, wie das butterweiche, aber seltsam anrührende "Everyday" mit dickem Schmalz und mitsingendem, voll bedröhntem Publikum zu Gehör. Dann kochte die Atmosphäre im Auditorium und die Girls und Boys schrieen wie dereinst bei den Beatles, gewiss gab es Ohnmachtsanfälle, zur Not auch vorgetäuschte.
Valvo/Union Square Music veröffentlichen die Alben der Band digital remastert mit ausführlichen Linernotes, Booklets samt Story, Bildern, Single-Cover-Abdrucken, Bonustracks und natürlich auf das Feinste produziert. (Und ich frage mich, warum das nicht auch mal so genialen Bands wie Return To Forever oder Jonesy passieren kann!). Das kommerzielle Echo dürfte auch heute noch positiv Buchungen erwirken, sind die Hits doch immer noch auf jeder Dorfdisko zu hören, so gegen 5 Uhr morgens, wenn alles breit ist und der DJ schon mal dreiviertel seiner Scheißdreck-CDs verpackt hat.
VM
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