Patrik Skantze and the Free Souls Society "Fiction at first view" (Mimo Sound Records/Record Heaven 2006)

Es gibt Alben, die sind auf den ersten Blick/Höreindruck unscheinbar, erst recht, wenn man geneigt ist, unwillig zuzuhören. "Fiction at first view" gehört dazu. Romantische Stimmungen von akustischer Gitarre, verhallter Flöte, dezenten Keyboards, hier und dort von Schlagzeug unterfestigt, melodisch eingängiger Gesang - die 10 Songs scheinen nichts weiter her zu machen und nur leichte Kost für Fernsehpausen zu sein.
Doch wenn man dann weghört und die Songs am Bewusstsein vorbei fließen läßt, greifen die Töne mit Ankerkrallen ins Unterbewusstsein, haken sich ein, und schleichen sich ins Sympathie-Gen. Der nächste Hördurchgang (Hördurchgang ist ein besonders blödes Wort, ist es nicht?! - klingt wie Erschießungskommando) ist dann gewiss von viel mehr Neugierde und "offenen Ohren" gesteuert - und dann schälen sich aus den leisen, zarten Balladen manch hinreißende Harmonie, einnehmende Stimmung, überraschend aufwändiger und anspruchsvoller Inhalt, der die Ohren schult. So unscheinbar und leicht die Songs auf "Fiction at first view" erst wirken, so eindrücklich und eingängig sind sie dann. Neil Young ist als konkrete Inspiration nicht nur im 11-minütigen "Gleam of hope" zu hören, wie überhaupt Singer/Songwriter - Strukturen in den melancholischen Gesangspassagen zu finden sind. Darüber hinaus schwebt eine symphonisch-epische Stimmung durch die Songs, von Patrik Skantzes (lead-voc, back-voc, g, b, p, key) und Eva Björkners Stimme (lead-voc, back-voc, fl, p) getragen, lichten Celloklängen (Patrik Öhlin (b, ce) und Christopher Korlings Schlagzeugspiel forciert.
Selten einmal rockt die Band wirklich, selbst im 7. Track "The plunge" wird aus den ersten rauen Riffs ein eingängiges, romantisches Stück. Die elektrische Gitarre darf hier und dort solieren und in wenigen Songs partiell emotionale Steigerungen betonen. Zumeist wird der akustische Sechssaiter gespielt. Patrik Skantzes Stimme hat einen eigenen Klang, der zwei bekannten Sängern nahe ist: Neil Young und Peter Hammill. Diesen Eindruck steigert die zarte Schlichtheit der akustischen Lieder.
Die CD beginnt mit dem "Radio edit" des zart schmelzenden Titeltracks, fällt sozusagen mit der Tür in die süßeste Harmonie der Platte. Zum Ende gibt es dann die Komplettversion zu hören, und wirklich, die Wendungen und Wege der beiden Lead-Gesangslinien haben es in sich und verzücken ungemein, vor allem im beeindruckenden Refrain.
Die zweite CD des schwedischen Mulitinstrumentalisten Patrik Skantze, der sich Free Souls Society als Band zugelegt hat, ist leiser und inniger als das intrumentale Debüt. Ich konnte noch nie begreifen, warum sich Rockfans in den butterweichen Mittelalterkitsch von Richie Blackmore samt Sangesdame vertun. Das werde ich auch zukünftig nicht, Ehrenwort! Mit viel weniger Kitsch und ebensolcher Milde nimmt mich dafür diese Gang gefangen.

mimosound.com
VM



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