Simple "Undeletable" (Off Record, 27.06.2014)


Kein Album wie das andere - Pierre Vervloesem macht große Schritte von einem Projekt zum nächsten. Dieses jüngste, unter dem Projektnamen Simple eingespielt, heißt "Undeletable" und wird als das Saxophonprojekt in die P.V. presents - Geschichte eingehen.
Pierre Vervloesem spielt Bass (und wie!), Bruno Vansina brüllt mit dem Saxophon, Joris Caluwaerts sorgt für den Humorfaktor, der 60s Mitpfeif-Baroque Pop und schrägste 'A Group'-Attacken fährt, während Didier Fontaine, ohne gebremst zu wirken, zwischen komplex-technischem Spiel und kraftvoller Lässigkeit wechselt.
Typischer Weise sind die schrägen Songs gut komponiert, federleicht eingespielt und alles andere leicht und seicht. P.V. als belgischer Gitarrenmaestro hat sich in der Kinderstube Frank Zappa und King Crimson unter die Haut gehört, mit zahllosen Bands gearbeitet, unter denen vor allem X-Legged Sally und Flat Earth Society zu nennen sind, sowie das Schrägst-Poprock-Projekt 'A Group', dessen beide Alben (und eine Single) großartige Genießerscheiben für humorsüchtige Rock(Prog-, wenn man so will)-Fans sind.
Simple schließt an A Goup an. Trotz der Saxophon-Betonung ist Simple mit "Undeletable" keine Arbeit, die ausschließlich 'Bläserfantasien' (so Pierre Vervloesem über seinen ehemaligen XLS-Piloten Peter Vermeersch) abarbeitet.
Stilistisch sind Anknüpfungspunkte rar gesät, was schon einmal großartig ist. Diese Jungs machen in dieser Band nichts, was schon unzählige Bands vor ihnen getan haben: Vorbildern nachrennen. Statt dessen machen sie, was schon unzählige Bands vor ihnen getan haben: sie machen ihr eigenes Ding. 13 Songs und 54:19 Minuten lang.
Und das machen sie sehr gut. Mal arbeiten Saxophon und Keyboards unisono, sich die Bälle zuwerfend, Jazzprog wie Donner abfeuernd, dann zerfleddert sich der kraftvolle Sound in Schräg-Moleküle, die hinreißender und außermainstreamiger nicht sein könnten.
Die Songs an sich, in ihren Grundgerüsten, sind mal Prog, mal Avantpop, dann Sixties-verliebter Beatpop, Reggae, immer knackig frisch, sehr anmutig, vital und äußerst kurzweilig. Und stets mit dem soundtechnisch besonderen Gespür Pierre Vervloesems, der sich instrumental in Virtuosität und Soloeinsatz zurücknimmt und die Band bei der Arbeit genießt - und hin und wieder auch mal wilder und lauter kann, als sowieso schon. Denn laut und vital kann und macht er.
Pierre Vervloesem ist ein Studiocrack mit ausgeprägtem Sinn für besondere Details: feinster Sound mit Echo-Anteilen hier, lustige bis seltsame Töne dort, Tierlaute (diesmal nicht) oder Nonsens-Partikel, die, raffiniert gesetzt, einmal mehr komisch, anrührend und hinreißend sind. Sehr kluges Zeug, diese Songs, aber ganz unprätentiös.
Wenn so ein Stück ins Laufen gekommen ist, klopft die Band die freie Natur nach Jazz-, canterburyianischen Jazzrock- und Rockmolekülen ab, wildert mit hoher Energie und eleganter Bewegung in schöngeistiger bis dornenscharfer Landschaft abseits der Spazierpfade im holprig Abenteuergelände und macht dabei sehr hübsche Erlebnisse - und nichts ist 'stil'-echt, sondern eigen.
Die Handwerker an ihren Instrumenten sind perfetto (!) gerüstet. Es macht ihnen hörbar Spaß, ihre Songperlen so locker zwischen alle Stühle zu platzieren, dass die Freaks der Abseitsrockpfade erst einmal hören müssen, ob das nun zu kopfig, zu bauchig oder zu beinig ist. Es ist von allem, aber es ist nicht: zu.
Sondern offenen Geistes. Da heißen Song schon mal "Belgian Triumphalism", "Deliver Us From The Aliments", "Domestic Daredevil", "Mental Mento", "One Of The Weakest Tune Of The Set, Pt. 1" (!), "One Of Theses Doris Days" oder ""Pierre Richard" - könnte eigentlich alle aufzählen, bin nur zu faul, alles abzuschreiben. Mit Verlaub.
Hyperenergetisch, lässig, abgefahren, drahtig, vital - ich lass' Euch noch Platz für Eure Eindrücke, macht sie Euch.
Unbedingt!

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VM




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